SWR4 Abendgedanken

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21FEB2023
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„Heile, heile Gänsje,“ das ist eines der berühmtesten Fastnachtslieder bei uns in Rheinhessen. Auch heute wird es wieder vielerorts gesungen werden, wenn die Karnevalsvereine zu heiteren Sitzungen einladen, bei denen launische Vorträge zu hören sind. Es wird gelacht, geschunkelt, getanzt; das Leben in all seinen Facetten wird aufs Korn genommen. Und mittendrin: ein Kinderlied.

Heile heile Gänsje.
`s werd bald widder gut.
`s Kätzje hod e Schwänzje.
`s weerd bald widder gut.
Heile, heile, Mausespeck. In 100 Johr is alles weg.

Ich kenne das Lied schon, seit ich ein Kind war. Und genauso wie es in dem Lied in der zweiten Strophe auch heißt, hat es meine Mutter gesungen, wenn sie mich in einem kleinen Schmerz hat trösten wollen. Wenn man die Geschichte dieses Liedes nachliest, entdeckt man, dass es vor allem berühmt geworden ist, seit es 1952 Ernst Neger bei einer Fastnachtsveranstaltung gesungen hat.

Damals hat das ursprüngliche Kinderlied eine Strophe dazubekommen, bei der es um das im Krieg zerstörte Mainz gegangen ist. Die Menschen haben sich mit dem Lied den Trost zusprechen lassen, dass auch die Erfahrung des Krieges eines Tages weit weg sein wird.

Heile, heile, Mausespeck. In 100 Johr is alles weg.

Ich frage mich: Ist das wirklich ein Trost oder doch nur eine Vertröstung auf eine bessere Zeit in weiter Ferne: „In 100 Jahren“.

Und trotzdem wirken diese Worte ja tröstlich auf mich; denn das Geheimnis dieses Liedes ist wohl auch, dass die Melodie wie ein Wiegenlied klingt.
Und Wiegenlieder, die können ja tatsächlich trösten. Sie wirken durch ihre Melodie, und sie wirken sofort, im selben Moment, in dem sie erklingen. Nicht erst in ferner Zukunft.
Wiegenlieder berühren die Seele; das Kindliche in uns kommt auf seine Kosten.
Ich darf mich hin und her wiegen lassen wie das kleine Kind im Arm der Mutter.

Davon singt auch ein Lied in der Bibel. In einem alten Psalm (Ps 131) singt ein Sänger davon, dass er bei Gott geborgen ist wie ein Kind im Arm seiner Mutter.

Mit gefällt es, zu erleben, wie sich mitten im bunten Fastnachtstrubel Menschen trösten lassen wie schon seit alter Zeit. Und wenn irgendwo das „Heile heile Gänsje“ erklingt, singe ich gerne mit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37146
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