SWR1 Begegnungen

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19FEB2023
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Clemens Fuchs Foto: Sabine Winkler

Rottenburg am Neckar ist nicht nur Bischofsstadt, sondern in diesen Tagen auch Fasnets-Hochburg. Dort treffe ich Clemens Fuchs. Er ist Mitglied und der Archivar der Rottenburger Narrenzunft. An der Fasnet ist er aktiv als „Ahland“ unterwegs, das heißt als „weißer Teufel“. Der Schwabe schlüpft dann in sein Narrenkostüm, auch Häs genannt, und das schon seit knapp 50 Jahren:

Das war schon immer ein Kindheitswunsch Ahland zu sein. Aber meine Eltern haben mir das nie gekauft oder ermöglicht. Auf jeden Fall habe ich mir diesen Herzenswunsch von meinem ersten Lehrlingsgehalt erfüllt.

Der Name Ahland ist vom Charakter her eigentlich ein Teufel. Der Name Ahland kommt von Fahland, „der zu Fall Bringende“ und ja der Ahland verkörpert dann einfach auch diese Funktion. Wobei er von seinem Häs her eigentlich ein untypischer Teufel ist, weil er hat ein weißes Leinengewand, das bemalt ist.

Der Teufel verkleidet im weißen Gewand, also sozusagen mit weißer Weste, so kommt es mir vor. Der Teufel steht für mich als Figur für das Böse. Dass es ihn als Wesen mit zwei Hörnern gibt, glaub ich nicht. Aber dass es Böses auf der Welt und auch teuflische Gedanken gibt, dass glaub ich sehr wohl. Und vielleicht steht ja auch die Teufelsfigur dafür, dass das Böse sich versteckt und nach außen hin sich verkleidet.

Der Ahland scheint mir jedenfalls ein eher freundlicher Teufel zu sein, der gerne neckt. Und da stimmt mir Fuchs zu. Denn in seiner Rolle als Ahland treibt er gerne sein Späßchen mit den Zuschauern während den Umzügen. Aber immer zur Freud, niemals zum Leid.  

Wenn Sie jetzt irgendwo am Tisch sitzen im Lokal und jetzt kommt da einfach eine Hexe rein oder paar Hexen und die setzen sich zu Ihnen. Die sagen erst mal vielleicht gar nix und dann beginnt von alleine eine närrische Konversation. Und da haben alle Freud, der, der im Häs steckt und die, die am Tisch sitzen, weil das ist was Spannendes. Was ist das für einer? Wo kommt der her? Und kennt der uns? Und dann verstellt er seine Stimme und sagt dann: „Ja, ich kenne dich, du bist heute Morgen ganz spät heimgekommen!“ Oder ja, einfach irgendwas Lustiges und dann lachen alle am Tisch. Und das ist das Eigentliche, was Fasnet ausmacht.

Fasnet ist Begegnung pur. Dabei verhalten sich die Menschen anders als unter dem Jahr. Sie sind freundlicher, aufgeschlossener und ausgelassener. Man hat Freude, redet miteinander kommt ins Gespräch. Es spielt einfach keine Rolle, wer ich bin, welchen Vorstandsposten ich innehabe, wie viel Geld auf meinem Konto ist oder welches Auto ich fahre. Man begegnet sich auf Augenhöhe und ist zusammen unterwegs.

 

Gleich erfahren Sie was darüber hinaus die Fasnet mit der Kirche verbindet.

 

(TEIL 2)

Das Zunfthaus, in dem ich den Narrenzünftler Clemens Fuchs antreffe, liegt fußläufig zum Bischofssitz. Sicher man kennt sich, aber wie eng sind Fasnet und Kirche wirklich miteinander verwoben?

Wir feiern mittlerweile am Fasnet-Samstag eine Zunftmesse in der Sankt Moritz Kirche. Einfach zu Beginn unserer Straßen-Fasnet, die dann im Anschluss an den Gottesdienst stattfindet. Und das ist natürlich ein Zeichen der Verbundenheit zur Kirche.

Es geht um ein allgemeines Besinnen untereinander darauf, dass Spaß an der Fasnet erlaubt ist, aber um der Freude Willen. Dass an den Nächsten gedacht wird, und dass niemand zu Schaden kommt. Darauf besinnen sich die Narren und holen sich Zuspruch und den Segen, dass es gut geht.

In diesen Narrengottesdiensten zeigt sich aber auch, dass die Kirche selbst närrisch kann:

Der jeweilige Pfarrer oder Prediger hält die Predigt dann in Reimform. Und da gab es also schon manchmal eher die Situation, dass der Pfarrer quasi die Rolle des Hofnarren übernommen hat und auch gegenüber der Verwaltung oder dem Bischof das eine oder andere deutliche Wort gesprochen hat.

Vielleicht erscheint es befremdlich, wenn Kirche sich so närrisch zeigt. Dabei ist die Verbindung von Fasnet und Kirche durchaus eine enge. Die Brauchtums-Forscher sind sich mittlerweile einig, dass die Fasnet vor allem als Schwellenfest, als bewusstes Fest vor der Fastenzeit entstanden ist:

Die katholische Kirche hat ja die Fastenzeit sehr streng gehandhabt. Und deswegen hat man in der Nacht vor dem Fasten, also vorm Aschermittwoch noch kräftig gegessen, getrunken, gefeiert, getanzt, geheiratet.

Fasnet ist also ein katholisches Fest durch und durch. Und die Kirche ist sogar an der Entstehung der ersten Narrenfigur beteiligt gewesen.

Die Kirche hat versucht, durch Bilder die Heilsgeschichte quasi zu erläutern. Und in der Heilsgeschichte ist natürlich sowohl ein Engel vorgekommen, aber auch ein Teufel. Es gibt Nachweise, dass Teufelslarven über die Fasnacht beim Mesner ausgeliehen werden konnten. Und so sind die ersten Larven und Masken eigentlich in die Fasnet gewandert und der Teufel war die erste Fastnachtsfigur.

Um es besser zu verstehen: Die Larve ist die Vorstufe zur Maske. Erst wenn man sie trägt, wird sie zur Maske. Von der Larve stammt auch der Begriff des Entlarvens, also wenn jemand demaskiert wird. Und darum soll’s ja auch in der anschließenden Fastenzeit wieder gehen: Gott zeigen, wie ich wirklich bin.

Fastnacht oder Fasnet – es ist ein großes Fest im Kalender, dass vielerorts kräftig gefeiert wird. So wie Clemens Fuchs diese fünfte Jahreszeit allerdings beschreibt, zeigt es mir doch, dass in diesem Fest viel mehr als Party und Krawall zu sehen ist. Es ist ein christliches Fest, dass das Leben feiert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37143
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