SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

15MRZ2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Christchurch. Heute vor vier Jahren hat ein rechtsextremer Attentäter 51 Menschen rund um zwei Moscheen erschossen. Das hat Neuseeland und die ganze Welt erschüttert.

Die Premierministerin Jacinda Ardern hat mich damals schon beeindruckt. Sie hat es geschafft, dass die gesellschaftlichen Risse nicht noch tiefer wurden. Sie hat dafür gekämpft, dass die Religionen im Gespräch geblieben sind, und sie hat so vehement gezeigt, dass Hass keine Chance hat und vor allem keine Lösung ist.

Jetzt hat Jacinda Ardern wieder Schlagzeilen gemacht. Anfang Februar ist sie zurückgetreten. Ihr Tank ist leer. Premierministerin ist die tollste Rolle ihres Lebens, aber das geht nur mit vollem Tank, hat sie gesagt.
Mich hat vor allem erstaunt, was dann kommt. Sie wendet sich öffentlich an ihre Familie und sagt zu ihrer Tochter: „Mama wird dabei sein, wenn Du in diesem Jahr in die Schule kommst.“ Und zu ihrem langjährigen Verlobten: „Lass uns endlich heiraten.“

Heißt das, sie wäre als Premierministerin nicht bei der Einschulung gewesen? Hatte Sie nicht die Zeit oder den Kopf um zu heiraten? Ist in so einem Job wirklich keine Zeit für das eigene Leben, nur für das der anderen?
Es ist mir klar, dass man fremdbestimmt wird und sämtliche Staatsakte dieser Welt wichtiger sind als der eigene Geburtstag. Aber die Hochzeit? Oder die Kinder? Das hat mich nach dieser Pressekonferenz wirklich beschäftigt.

Ich bewundere Arderns Schritt sehr, und ich finde, dass sie wieder ein klares Zeichen setzt. Jetzt ist was anderes dran. Bis jetzt: Premierministerin, ab jetzt: Familie. Ich vermute, der Weg dahin wird emotional nicht leicht gewesen sein. Ich hab gelesen, dass sie in ihren Rollen immer wieder angefragt worden ist. Als junge Frau und Premier, wie denn die Familienplanung sei. Als sie schwanger war, wollten alle wissen, wie sie das wohl machen wird und als das Kind da war, haben sie schließlich gefragt, ob sie es denn nicht ständig vermisse.
Werden solche Fragen auch einem frisch gebackenen Vater in so einem Job gestellt? Oder ist da unbewusst gesetzt, dass die Partnerin zu Hause beim Kind ist, und der Mann dem wichtigen Job nachgehen kann.
Ich finde es toll, dass es nicht mehr automatisch so ist. Dass Paare sich bewusst entscheiden, wie sie es mit dem Familienleben gestalten. Dass es nicht mehr von vornherein klar ist, dass der weibliche Part zu Hause bleibt. Und dass man das Modell zu gegebener Zeit umstellen und anpassen kann. Jacinda Ardern hat gezeigt, dass das sogar im höchsten politischen Amt möglich ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37127
weiterlesen...