SWR3 Gedanken
Ich verbringe viel Zeit auf dem Friedhof. Als Pfarrerin, habe ich viele Menschen beerdigt und ihre Angehörigen begleitet. Abschiede sind traurig, und es sind so viele, dass ich mich an die meisten Namen gar nicht mehr erinnern kann. Und trotzdem ist von fast jeder Beerdigung etwas geblieben. Etwas das ich mitnehmen durfte. Ein Erbe, dass ich weitertrage.
Einmal zum Beispiel habe ich in einem Wohnzimmer ein beindruckendes schwarzweiß Bild von der Verstorbenen gesehen. Sie stand in einem Fischerkahn. Jung und selbstbewusst hat sie direkt in die Kamera geschaut. Ihren intensiven Blick, werde ich wohl nie vergessen. Als würde sie mir sagen wollen: "Es gibt nichts, was du nicht kannst!“
Ein anderes Mal, habe ich den Spruch eines verstorbenen Optimisten mit in meinen Alltag genommen: "Der Himmel ist blau.", hat er stets gesagt. Diese kurzen prägnanten Worte stärken mich immer wieder.
Neulich hat mich das Lieblingslied einer Verstorbenen besonders fröhlich gemacht und letztes Jahr habe ich die Frechheit eines Verstorbenen bewundert und mir vorgenommen in bestimmten Situationen ähnlich zu handeln.
Ich habe den meist erzählten Witz eines Komikers zu hören bekommen und Zeilen aus einem alten Liebesbrief haben mich zu Tränen gerührt.
Es ist so viel was ich anvertraut bekomme. Liebe. Schmerz. Selbstgeschriebene Gedichte. Bibelverse. Lebensgeschichten. Sorgen. Fotos. Lustige Erinnerungen. Ängste und Hoffnungen. Und immer bleibt eine Kleinigkeit bei mir und in mir.
Vieles bleibt in den Herzen der Angehörigen. Alles andere bleibt bei Gott. Die Namen zum Beispiel, die ich längst vergessen habe. In der Bibel heißt es nämlich: "Freut Euch, dass Eure Namen im Himmel geschrieben sind!" (Lk 10,20b)