SWR1 3vor8

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05FEB2023
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Ich auf einem Rechtsrock-Konzert? Wenn mich jemand zu so einer politisch Rechts-Außen-Veranstaltung einladen würde – ich würde ziemlich komisch gucken. Genauso wenig könnte ich mir Greta Thunberg auf einem Sprit-fressenden Motorrad vorstellen – oder Donald Trump als Mitglied von Greenpeace. Wir alle haben unsere Feindbilder. Oder zumindest Menschengruppen, mit denen wir uns niemals abgeben würden. Für die einen sind das die Klimaprotestler, die die öffentliche Ordnung stören, für andere die Querdenker, die den wissenschaftlichen Konsens nicht anerkennen wollen. Zu denen geht man nicht. Das passt einfach nicht.

Und genau das haben die Menschen auch zu Jesus gesagt. Er war zu den falschen Leuten gegangen. Zu den Zöllnern zum Beispiel. Das waren die Leute, die mit den verhassten römischen Herrschern zusammengearbeitet haben. Und so nebenbei haben sie ihren eigenen Landsleuten auch noch schamlos das Geld aus der Tasche gezogen. Mit denen wollte man als anständiger Mensch einfach nichts zu tun haben.

Als nun ausgerechnet Jesus sich mit denen an einen Tisch gesetzt hat, wurde er direkt schief angeschaut. Jesus versucht nicht, sich irgendwie aus der Situation herauszureden. Er tut aber auch nicht so, als wäre nichts gewesen. Als wäre bei den Zöllnern alles gut. „Die Kranken brauchen den Arzt, nicht die Gesunden“ ist seine Antwort. Gerade weil bei den Zöllnern nicht alles gut ist, sucht er den Kontakt zu einem von ihnen. Statt ihn mit Verachtung zu strafen geht er auf Augenhöhe: Gemeinsam Essen, an einem Tisch sitzen – das verbindet. Und für den Zöllner ist es die Chance für den ersten Schritt: Um etwas zu verändern und es in Zukunft besser zu machen. Jesus eröffnet ihm diese Chance.  Vielleicht ist es das, was er meint, wenn er von Barmherzigkeit spricht und sie von den Pharisäern einfordert. Eine Haltung, die nicht zuerst den Fehler bei den anderen – sondern sich stattdessen dem Menschen zuwendet. 

Wie das gehen kann, habe ich gemerkt, als mein Feindbild einmal durch den Zufall überrumpelt wurde. Letzten Sommer als eine Freundin und ich in einer überfüllten Pizzeria von einem Pärchen an ihren Tisch gewunken wurden. An dem waren noch zwei Plätze frei. Ohne groß nachzudenken haben wir das nette Angebot angenommen. Wir haben uns gut unterhalten – und erst am Ende festgestellt, dass wir in manchen Punkten sehr unterschiedliche Auffassungen hatten. Und wohl im Alltag nie zueinander gefunden hatten. Da waren wir uns aber schon ohne es zu Wollen sympathisch geworden.

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