SWR2 Wort zum Tag

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01FEB2023
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Der alte Herr ist sehr alt und krank – eigentlich ist klar, dass er sein irdisches Leben bald verlassen wird. Er hat schon keinen wahrnehmbaren Kontakt mit seiner Umwelt mehr. Und jetzt hat er auch ganz aufgehört zu trinken und zu essen. Die jungen Leute aus der Familie erinnern sich, dass er doch so katholisch war – und müssten wir nicht dafür sorgen, dass da noch mal der Pastor kommt und dieses Öl… Wie heißt das nochmal? Irgendwas mit „Letzte Ölung“ oder!?

Gut, dass gerade das Pflege-Team hereinkommt. Die wissen doch sicher Bescheid. „Ob der Onkel wohl gewollt hätte…“  „Sie meinen, dass er die Krankensalbung bekommen will!?“ Die Pflegerin ist Muslima; kennt sich aber aus mit den katholischen Wörtern. Da fällt ihr der Kollege schon ins Wort: „Nein nein, war doch erst im November – das gilt noch vier Monate!“

Bei aller Tragik, fand ich das doch auch ein bisschen komisch. Weil: die Schwester, die aus einem ganz anderen Glauben kommt, würde natürlich dafür sorgen, dass der alte Mann auch in seinen letzten Tagen Gottes Kraft und Segen bekommt – dafür steht ja die Krankensalbung. „Ist einer unter euch krank, dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben.“ Ziemlich konkrete Anweisungen im biblischen Jakobus-Brief.

Und wenn der oder die Kranke es nicht mehr selbst tun kann, soll eben jemand aus der Umgebung dafür sorgen, dass die Gemeinde sie oder ihn salbt und über sie betet… Wobei: Biblisch ist damit die Hoffnung verbunden, dass Gebet und Salbung die Kranken eher stärkt und gesund machen soll. Öl ist schließlich ein uraltes Heilmittel – wird übrigens gerade wieder mal neu entdeckt. Und dass die antiken Ring- und Faustkämpfer sich komplett eingeölt haben, damit sie dem Gegner keinen Angriffspunkt bieten: dieser Gedanke war sicher auch im Spiel.

Öl und Segen also: kein Gedanke an „Letzte Ölung“; eher „Mit Gottes Kraft heilen“ oder sogar „auf dem letzten Weg schützen“ … Und – da bin ich wieder bei der tragikomischen Szene im Pflegeheim: die Krankensalbung hat natürlich weder ein Mindesthaltbarkeitsdatum noch eine Gültigkeits-Dauer. Der alte Onkel hätte sie gern noch einmal empfangen können; er ist dann aber doch schon friedlich zum letzten Mal eingeschlafen. Dass Mitglieder seiner Familie und das Pflegeteam bis zuletzt bei ihm waren, hat er vielleicht ja auch noch gespürt; und sicher ist er jetzt bei dem Gott, dem er sein Leben anvertraut hatte.

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