Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

31JAN2023
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Neulich habe ich alte Fotos angeschaut. Eines bringt mich noch nach Jahren zum Lachen. Darauf ist ein Holz-Steg zu sehen, der über einen kleinen Meer-Arm führt. An einem Ende ist ein rotes Metallgestänge, das sieht aus wie ein Lampenschirm. Am andern Ende ragt ein gelbes Kreuz in die Luft. Eines Morgens war ich zur falschen Zeit auf der falschen Seite.

Ich war durch die Landschaft gejoggt und habe nicht aufgepasst, wann Flut ist. Und an der Stelle, wo der Steg sein sollte, war nur Wasser. Ich habe meinen Mann angerufen, der im Ferienhaus mit dem Frühstück auf mich gewartet hat: „Ich komme nicht rüber. Der Steg ist weg“ habe ich zu ihm gesagt. „Wie - der Steg ist weg, das kann nicht sein.“ „Da ist überall nur Wasser.“ Auf die roten und gelben Gebilde hüben und drüben habe ich bis dahin nie geachtet. Wenn sie mir aufgefallen wären, dann hätte ich meine Schuhe ausgezogen und wäre mutig drauf losgewatet. Denn der Steg war da, nur eben 40 cm unter Wasser. Seitdem ist dieses Bild für mich zu einem Sinnbild geworden.

Es steht dafür, dass der Weg da ist, auch wenn ich ihn in dem Moment nicht sehe. Vielleicht weil ich nicht aufmerksam genug die Umgebung studiere und ich deshalb solche Hinweise, wie das rote und gelbe Metall-Ding übersehe, oder weil zu vieles gleichzeitig auf mich einstürmt. Mit dem Urlaubsbild verbinde ich seitdem ein Wort aus Psalm 37: „Befiehl dem Herrn deine Wege, er wird’s wohl machen.“ Es kostet mich durchaus Überwindung, drauf loszuwaten, wenn ich den Weg nicht sehe, vor allem, wenn ich vielleicht nasse Füße bekomme. Doch ich bin überzeugt: wer auf die Hinweise achtet, kommt ans Ziel, selbst wenn der Weg dorthin auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Die Hinweise stehen allerdings nicht immer so offensichtlich in der Landschaft, wie damals am Wasser. Manchmal verstecken sie sich im Rat eines Freundes, oder in den Zeilen eines Lieds oder auch in einem Gedanken, der mir plötzlich im Sinn ist, wenn ich mal wirklich zur Ruhe komme. Oder ich muss tatsächlich die Bibel öffnen, um zu begreifen, dass ich bei Gott Halt finde, dass Jesus dieser Weg ist, der mich trägt. Er hält mich aus, mit allem, was ich an Unruhe und Zaghaftigkeit manchmal in mir habe. Dann weiß ich wieder: da ist ein Grund, der sicher ist, der ist da, - wie auch immer die Landschaft um mich herum gerade aussieht.

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