SWR3 Gedanken

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30DEZ2022
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„Mama, da schau: das ist so – tupf-tupf-tupf“! Das Kind zieht seine Mutter näher zu dem gewaltigen Fenster. Ich nutze eine Umstiegspause, um mir den Kölner Dom anzuschauen. Das bunte Kirchenfenster an der Südseite zieht mich genauso an wie das Kind.

Ich folge den beiden und stelle mich frontal ins Licht dieses gläsernen Kunstwerks. Farben übergießen mich. Blau, rosa, grün, orange, rot, gelb, türkis, lavendel, petrol. Das Fenster leuchtet, die Luft leuchtet – ich leuchte.

Das Kind dreht sich begeistert inmitten der dunklen Dom-Mauern. Auch das Kind leuchtet – beschienen von Tausenden bunter Glasquadraten. Die Welt ist bunt, vielfältig, leuchtend und voller Leben, denke ich.

Mit 11 500 Glasquadraten in 72 Farben hat der Künstler Gerhard Richter ein lebendiges Kunstwerk geschaffen. Je nach Lichteinfall und Tageszeit verändert sich die Atmosphäre in dieser riesigen Kirche.

Bei meinem Besuch scheint draußen die Sonne. Das Fenster wirft ein kräftiges buntes Licht in den Raum. Ich tauche ein in dieses Geheimnis aus Farbe und Licht. Bin heller Tag, in voller Blüte, bin schäumende Welle … mir fehlen die Worte.

„Tupf, tupf, tupf“, wiederholt das Kind, das sich immer noch dreht, „Mama, schau doch!“ Womöglich trifft es das am besten. Wie hingetupft sind wir in die Welt. Auf dass wir mit der Schöpfung um die Wette leuchten. Tupf, tupf, tupf …

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