Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Woher kommt eigentlich die Hoffnungskraft, die manche Menschen haben und die andere so dringend bräuchten?
Genau das haben auch Jugendliche die Jüdin Elisabeth Buber-Neumann gefragt. Sie sollte in der Schule von der Zeit ihrer Gefangenschaft unter Hitler und Stalin erzählen. Und die Schülerinnen und Schüler fragten sie: Wie kommt es, dass der eine zerbricht und der andere Stand hält?
Elisabeth Buber-Neumann meinte, Frauen können länger durchhalten. Weil ihre Hoffnung in kleinen Portionen lebt und Frauen sich mitten im Hunger noch die kleine Portion Margarine als Creme ins Gesicht reiben. So halten sie die Hoffnung auf Schönheit wach, mitten im Grau des Lageralltags. Und das hilft.
Mich hat das beeindruckt. Denn eigentlich ist es ja verrückt, sich im Hunger die Margarine ins Gesicht zu reiben, statt sie zu essen, wenn der Körper doch jedes Gramm Fett und jede Energiereserve dringend zum Überleben braucht.
Aber anscheinend brauchen wir nicht nur die Nahrung für unseren Körper. Wir brauchen auch etwas, das unser Innerstes nährt.
Im Gefangenenlager damals war es die Margarine, sagt Frau Buber-Neumann. Das kleine bisschen Fett im Gesicht, ein scheinbar sinnloser Luxus. Aber er hielt die Hoffnung wach auf ein anderes Leben, auf Schönheit und auf Gesundheit und auf ein Weiterleben.
Nichts lässt sich mit dem Grauen eines Konzentrationslager vergleichen.
Aber ich ahne doch, was für eine Kraft die Hoffnung ist. Und dass sie die stillen Energie-Reserven in einem Menschen wecken kann, von denen niemand so genau weiß, wo sie eigentlich lagern.
Seit mir das klar ist, hüte ich mich auch davor, über andere zu urteilen. Zum Beispiel über die Frau, die von Hartz IV leben muss und die dennoch regelmäßig zu einem guten und teuren Friseur geht. Sie muss dieses Geld an anderer Stelle bitter einsparen. Aber sie sagt: Das bin ich mir wert. Das hilft mir im Moment mehr als alles andere.
In der Krise gibt es Hoffnung oft nur in ganz kleinen Portionen. Die aber sind unendlich kostbar.
Ich finde, das mit der Margarine damals oder der Luxus eines guten Haarschnitts, das ist eine Portion Hoffnungskraft aus Gottes Hand.
Es sind ja nicht nur fromme Worte, mit denen Gott uns stärkt. Manchmal sind es auch so kleine Dinge, wie das bisschen Margarine oder der Friseurbesuch. Sie sehen nach nichts aus. Aber sie geben Kraft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3679
weiterlesen...