Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Manchmal muss man dem Gespräch zwischen anderen Leuten zuhören. Ob man will oder nicht. Mir ging es diese Woche so am Serviceschalter der Bahn. Während der Bahnbeamte meine Zugverbindung heraussuchte, unterhielten sich hinter mir zwei junge Frauen.
„Glaubst du das?“fragte die eine.
Ich weiß nicht…sagte die andere.
„Du mußt das glauben, was der Prophet sagt.“ wieder die Erste.
Und dann ziemlich heftig: „Und glaubst du überhaupt an Gott?
„Äh,..ich weiß nicht“, antwortete wieder die Zweite „Ich bin mir nicht so sicher.“

Dann war meine Fahrkarte fertig und ich musste gehen. Das Gespräch der beiden Frauen aber beschäftigte mich. Die eine war unsicher, was und wie sie eigentlich glauben sollte. Für die andere kamen Zweifel gar nicht in Frage. Entweder man glaubt, oder man glaubt nicht. So einfach war das für sie.
Dabei wird in der Bibel wird vom Glauben, aber ausdrücklich auch vom Zweifeln erzählt. Die Bibel transportiert diese Zweifel sogar haarklein. Für uns bis heute nachzulesen. Zum Beispiel die Zweifel von Thomas, dem Jünger. Er gehörte zum engsten Freundeskreis Jesu. Aber an die Auferstehung von der Toten konnte er einfach nicht glauben. Er zweifelte solange, bis Jesus sein Gewand öffnete und ihm seine Wunden zeigte und er diese Wunden mit seinen eigenen Händen fühlen konnte. Der ungläubige Thomas wurde dieser Jünger später genannt. Und seine Geschichte erzählt, was viele Menschen damals dachten.(Joh 20, 24-31)
Und genau das schätze ich so an der Bibel. Sie kleistert Fragen und Vorbehalte nicht zu mit unhinterfragbaren Weisheiten. Die verschiedenen Autoren rechnen immer mit dem Zweifel der Menschen, sogar bei den zentralen Glaubensbekenntnissen. Wer in der Bibel liest, soll auch verstehen, was da steht. Und verstehen kann ich nur, wenn ich auch fragen darf.
Zweifel sind im christlichen Glauben ausdrücklich erlaubt, ja sogar erwünscht. Ich darf offen bleiben für eigene und für fremde Zweifel. Ich kann vieles, aber ich muss nicht alles wissen. Und manches wird sich mir vermutlich erst im Laufe meines Lebens erschließen.
Und deshalb heißt die Alternative für mich nicht Glaube ODER Zweifel. Sie heißt: Glaube UND Zweifel. Mein Glaube ist noch nicht fertig. Aber ich bin auf dem Weg.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3676
weiterlesen...