Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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14DEZ2022
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Es klingt wie in einem mittelalterlichen Krimi: Mitten in einer kalten Dezembernacht wird die Tür aufgebrochen. Eine Horde bewaffneter Männer stürzt sich auf einen schlafenden Mann, stülpt ihm einen Sack über den Kopf und schleppt ihn in eine andere Stadt. Dort wird er monatelang eingesperrt. In einem Kellerloch – dunkel, stickig und fensterlos. Er hungert und friert. Und sprechen kann er auch mit niemandem.

Was wie ein Krimi klingt, hat Johannes vom Kreuz erlebt. Vor über 430 Jahren hat er in Spanien gelebt. Heute ist sein Todestag. Zusammen mit der Heiligen Teresa von Avila hat er viele Reformbewegungen innerhalb der Kirche angestoßen. Das hat nicht allen gefallen. Leute aus seinem eigenen Orden haben ihn deshalb gefangen genommen.

Die Zeit im Kerker hat Johannes stark geprägt. Denn nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich ist es finster in ihm geworden. Es gibt viele Stunden voller Angst, und oft fühlt er sich verlassen. Nicht nur von den Menschen, sondern vor allem auch von Gott. Dass ihm Gottes Nähe fehlt und dass er sich von Gott im Stich gelassen fühlt, beschreibt Johannes vom Kreuz als „Nacht des Glaubens“. Und zugleich hat Johannes gerade in dieser Finsternis Gott am intensivsten erfahren.
Das klingt ziemlich merkwürdig und widersprüchlich. Aber ich ahne, was Johannes vom Kreuz meint. Denn als er in seinem Kellerloch sitzt, da bricht alles, was ihm sonst Sicherheit gibt, weg. Er ist sich selbst ungeschminkt ausgeliefert. Schonungslos sichtbar wird alles, was er gerne vor anderen und auch vor sich selbst verborgen hält. Und auch all die Vorstellungen, die er von Gott hatte, tragen nicht mehr. In diesen Momenten kann er die Initiative voll und ganz Gott überlassen, und er spürt, Gott ist da. Näher, als er es bisher je erlebt hatte. Und so schreibt er in einem seinem Gedichte: „Nichts andres führte mich, als nur mein Licht im Herzen innerlich.“

Johannes vom Kreuz gibt mir zu denken. Ich frage mich: Was hilft mir, durchzuhalten, wenn es schwer wird? Wenn mir der Boden unter den Füßen weggezogen würde.

Und auch: was trägt mich durch die Zeiten, in denen der Alltag mir so banal vorkommt? Wenn nichts „Aufregendes“ passiert und die Frage in meinem Kopf, ob es das im Leben schon gewesen sein soll, immer lauter wird? Auch dann breitet sich eine Leere und Verlassenheit in mir aus.

Ich finde, es lohnt sich, diesen Fragen nachzugehen, um gerade jetzt, im Winter, wenn es tagsüber nur kurze Zeit hell ist, dem inneren Licht auf die Spur zu kommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36710
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