SWR3 Gedanken

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10DEZ2022
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Zu Beerdigungen kommen immer weniger Leute. Seit Corona hat sich dieser Trend noch verschärft. Zum einen, weil Menschen im Alter oft vereinsamen. Zum anderen aber auch, weil alte Menschen den Angehörigen nicht zur Last fallen wollen – nur kein Aufwand, nur kein Wirbel um meine Person. Ich finde es aber gerechtfertigt, zum Abschied noch etwas Wirbel zu veranstalten. Eine Beerdigung ist schließlich eine Feier, um jemanden zu verabschieden.

Auch wenn jemand in den letzten Jahren seines Lebens nicht mehr viel unterwegs war – das war ja nicht immer so. Verstorbene hatten auch ein Leben vor ihrer letzten Phase, und das war oft ganz lebendig: ein Familienmensch, der bei jeder Gelegenheit den Grill angeworfen hat, ein Hotelrezeptionist, der die Pianobar liebte, eine Sportlerin mit einem extra Zimmer für Medaillen und Pokale, eine Kaktuszüchterin, ein Büttenredner, eine Pilzsammlerin, ein Bademeister – da wird das pralle Leben abgebildet. Bei der Beerdigung dann aber der krasse Gegensatz: Kaum Leute, deprimierende Musik und eine Trauerhalle, die ihre besten Zeiten längst hinter sich hat.

Vor ein paar Wochen habe ich eine tolle Beerdigung erlebt. Ein junger Mann war gestorben, die Kapelle war randvoll, und es lief Techno-Musik. Freunde haben gemeinsame Erlebnisse erzählt und an eine Wand geschrieben. Sie haben sogar den Sarg getragen. Es wurde Jacky-Cola aus Dosen getrunken und gebetet. Den Angehörigen hat es so gut getan, dass der Verstorbene noch einmal gewürdigt wurde und dass so viele dabei waren. Sie waren echt froh, dass sie ihn ordentlich verabschieden konnten – genau so, wie es zu ihm gepasst hat.

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