SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

27NOV2022
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In einem Schlager aus den 60er Jahren steht ein Mädchen Abend für Abend am Hafen und wartet auf die Ankunft eines Schiffes, das den Geliebten an Bord hat. Sie singt: „Ein Schiff wird kommen und das bringt mir den einen, den ich so lieb wie keinen und der mich glücklich macht. Ein Schiff wird kommen und meinen Traum erfüllen und meine Sehnsucht stillen, die Sehnsucht mancher Nacht.“ Von ihr lerne ich für den Advent die Sehnsucht, das hoffnungsfrohe Warten, die unbeirrbare Zuversicht, dass Gottes Sohn auf die Welt kommt.   

Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.

Zuerst wird ein Bild vor Augen gemalt, dann wird es theologisch gedeutet. Die Melodie ahmt zu den Bildern vorsichtige Wellenbewegung nach, in den interpretierenden Zeilen schreitet sie ruhig voran. Zwei Rhythmen, ein Klang, zwei Tonarten, ein Lied, zwei Teile, ein Ganzes, zwei Naturen, ein Gott. So stellt die Melodie zwei Welten nebeneinander und macht zugleich hörbar, dass und wie sie sich berühren.

Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein teure Last,
das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.

Das Schiff bringt neben der Sehnsucht noch eine weitere Adventsgabe mit: Stille. Es rast nicht. Sein Antrieb folgt nicht dem Motto „schneller, weiter, effizienter“. Das Schiff geht still im Triebe. So wird es mir zu einem Gefährt und zu einem Gefährten der Langsamkeit, es hilft mir zur Entschleunigung und zur Konzentration auf das Wesentliche: die kostbare Fracht, die es birgt: den Gottessohn, der im Wind der Liebe segelt und getrieben wird vom Heiligen Geist.

Der Anker haft‘ auf Erden, da ist das Schiff am Land.
Das Wort tut Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.

Schließlich ist ein Landgang angesagt. Denn Gottes Schiff fährt nicht nur auf fernen Meeren, es bleibt nicht im Sehnsuchtsland. Es ankert mitten unter uns. Bald schon, an Weihnachten. Heute, am ersten Advent möchte ich mit Ihnen aber noch ein wenig am Ufer stehen bleiben, still und voller Sehnsucht. Und schließen mit Zeilen aus einem Gedicht von Alfred Marnau:

Die Sehnsucht will uns arm wie Wartende am Meer,
sie löst die Hände und lässt nichts bestehn.
So rüsten Schiffe lang zur Wiederkehr und werden niemals untergehn.

Vielleicht verstehst du Zeichen, die dich führen,
die scheuen Finger halten dein Gewand.
Hier ist dein Ufer. Du wirst Segel spüren.
und wenn die Schiffe kommen, sei am Strand.

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Es kommt ein Schiff (EG 8/GL 236)

Text: aus Quellen von Johannes Tauler erstmals ediert von Daniel Sudermann, 1626
Melodie: Andernacher Gesangbuch 1608

Musikquellen:
Hans-Jürgen Hufeisen, Christrose. Träume zur Heiligen Nacht,
www.hufeisen.de Zürich Nr.: he 1004 LC 10867
Weihnacht der Romantik, Rias-Kammerchor, Uwe Gronostay,

harmonia mundi Arles 2002, LC 7045

Literaturquelle:
Alfred Marnau, Vogelfrei. Frühe Gedichte 1935-1940

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36560
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