SWR2 Wort zum Tag

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12NOV2022
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Vor kurzem trafen sich Vertreter aller Kirchen im Ökumenischen Weltrat in Karlsruhe, auch die von den russisch- und ukrainischen orthodoxen Kirchen. Eine Woche waren sie zusammen, aber sie konnten nicht miteinander reden. So bitter und zerstörerisch ist der Krieg in der Ukraine, so zerstritten sind sie, obwohl sie sich alle auf Jesus berufen. Auch das gehört zu den Tragödien der Gegenwart. Wir im Westen haben seit den mörderischen Konfessionskriegen schmerzhaft lernen müssen, was Ökumene ist und versöhnte Verschiedenheit. Und doch gibt es immer noch eine Menge Vorurteile zwischen den Konfessionen. Aber besonders groß ist die Distanz noch zwischen Ost- und Westkirchen. Ob der böse Krieg jetzt dazu beitragen wird, dass wir mehr voneinander lernen und wissen? 

Solche Fragen legen sich besonders heute nahe, wo die Kirche eines belarussischen Bischofs gedenkt, der zu einem Märtyrer der Ökumene wurde – und das just in der Zeit des dreißigjährigen Krieges, wo sich hierzulande Protestanten und Katholiken noch die Köpfe einschlugen und das Land verwüsteten. Dieser Josaphat wurde 1618 Bischof von Polozk im heutigen Weißrußland. Er setzte sich rigide für die Union zwischen orthodoxen und römischen Kirchen ein, und das machte ihn ebenso attraktiv wie verhasst. Seine Gegner beschimpften ihn als „Seelenräuber“, der in fremden Gewässern fischen will - eine Haltung, die auch heute in und zwischen den Kirchen noch zu finden ist. Konkurrenzneid und Angst um den eigenen Bestand – und das mitten in einem Raum, in dem doch das Evangelium von Gottes Nächstenliebe verkündet und gelebt werden sollte. Dieser Josaphat jedenfalls wurde 1623 von seinen christlichen Gegnern grausam gefoltert und getötet. Bis zuletzt wollte er, freilich selbst auch ein Scharfmacher, nichts als Einigung und Versöhnung.

Dass Christen und Kirchen selbst heute noch derart gegeneinander stehen wie jetzt in der Ukraine, ist erschütternd und beschämend zugleich. Auch nach 2000 Jahren ist noch so wenig vom Friedensgeist Jesu verwirklicht worden. Dass selbst Kirchenführer sich weiterhin als nationalistische Ideologen aufführen und den Namen Jesu missbrauchen, ist schlicht skandalös. Umso mehr ist es eine ständige Herausforderung, endlich vernünftig zu werden und der Friedensbotschaft Jesu zu folgen. Der Gedenktag des belarussischen Bischofs Josaphat, der zuvor lange im litauischen Vilnius gewirkt hat, ist erneut ein Anlass, die Friedensbotschaft Jesu zur Geltung zu bringen. Er gab dafür sogar sein Leben, und viele tun es bis heute für Gerechtigkeit und Frieden. Gerade in diesen mörderischen Zeiten der Feindesliebe zu trauen ist eine mutige Sache. „Selig sind, die Frieden schaffen. Sie werden Frieden finden!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36503
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