SWR2 Wort zum Tag

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10OKT2022
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Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, da saß ich mit meinem schwerkranken Vater auf dem Balkon und wir sprachen über den schweren Weg, der vor ihm lag, den letzten Abschnitt seines Lebens. Er fragte mich, ob ich denke, dass er ein guter Mensch gewesen sei. Ich konnte ihm versichern, dass ich das in der Tat glaube und es war ihm wichtig, dies von mir zu hören.

Was hier am Ende des Lebens so stark zutage tritt, scheint mir für unser Menschsein allgemein zu gelten: wir wollen gut sein, keine schlechten Menschen. Eigentlich …

Wie aber kommt es dann zu diesem oft verwendeten und eindeutig negativ gemeinten Begriff des „Gutmenschen“? Ich zucke regelmäßig zusammen, wenn ich ihn höre. Was soll denn sonst der Anspruch an uns sein, wenn nicht ein Gutmensch zu werden? Oder anders gefragt: Was unterscheidet denn einen Gutmenschen von einem „guten Menschen“?

Mir kommt ein anderer Begriff in den Sinn und zwar der des „Moralapostels“. Für uns Christen sind Apostel ja Gesandte Jesu, also wichtige Boten seiner frohen Botschaft. Mit „Moralaposteln“ aber sind Leute gemeint, die sich selbst zu Gesandten der Moral machen und Moral „predigen“ Moralpredigten aber sind immer unangenehm, weil mir da jemand sagen will, wie ich zu denken oder zu handeln habe. Das schränkt meine Freiheit ein und gleichzeitig nervt es.

Vielleicht kommt es also darauf an, wie man etwas sagt, wie man das gute Handeln einfordert und sich dabei nicht über diejenigen stellt, zu denen man spricht. Denn ohne Moral geht es nicht, die immer danach sucht, was für alle gut ist.

Ob wir es mögen oder nicht: Als Gesellschaft brauchen wir Leitfäden und müssen uns immer wieder gegenseitig daran erinnern, nicht aggressiv und gewalttätig zu sein, nicht unseren Planeten komplett zu zerstören, nicht die Armen und Benachteiligten einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Es gehört zu unserem Menschsein dazu, gut sein zu wollen und doch auch zum schlecht sein gewissermaßen getrieben zu sein. Und deshalb halte ich es lieber mit Margot Käßmann, die sich darüber ärgert, dass „Gutmensch“ zu einem so diffamierenden Begriff geworden ist. Sie sieht darin Menschen, die glauben, sie könnten die Welt verbessern und sagt: „Ich finde, wir brauchen solche Menschen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36331
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