SWR2 Wort zum Tag

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30SEP2022
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Winnetou, der Apachenhäuptling ist zum Streitpunkt geworden. Die einen finden die Geschichten von Winnetou spannend und sehen ihn als einen Helden und als Vorbild für Mut und Freundschaft – so habe ich ihn als Kind auch immer gesehen – die anderen sehen Winnetou als einen Vertreter der indigenen Völker, die von den weißen Eroberern nicht als Freunde behandelt, sondern ausgebeutet wurden. In Wirklichkeit waren sie ja keine „Blutsbrüder“ der Weißen, sondern die weißen Einwanderer haben sie wirtschaftlich ausgebeutet, ihnen das Land weggenommen, sie in Reservoirs gesteckt und sie so ausbluten lassen. Wenn ich mir das bewusst mache, ist Winnetou wirklich eine Verharmlosung. Er wird als Held dargestellt und steht doch eigentlich für die Opfer. Das wirkt, als ob man die indigenen Völker zum zweiten Mal ausbeutet, weil man so tut, als würde man ihre Kultur verstehen, gut finden und vielleicht sogar schützen und bewahren. Nachdem man sie aber eigentlich schon fast vernichtet hat.

Und trotzdem tue ich mich schwer damit, alles an Winnetous Heldentum schlecht zu finden. Für mich ist dieser erfundene Held, der mich mit seinem Mut und seinem Einsatz für Freunde anspricht, das eine. Das andere ist die Tatsache, dass die Weißen sich den Apachen überlegen fühlen, sie unterdrücken und sie gleichzeitig als romantische Helden darstellen.

Diesen Konflikt gibt es generell, wo Menschen mit Menschen aus anderen Kulturen umgehen. Erst recht, wenn ich auf meine christliche Religion schaue. Ich weiß gar nicht, was übrigbleiben würde, wenn ich alles streichen würde, was die frühen Christen aus anderen Kulturen geklaut haben, um sich damit über sie hinwegzusetzen: Weihwasser und Weihrauch, Weihnachten und der Christbaum – das und vieles mehr kommt aus anderen Kulturen. Die Christen waren fast 2000 Jahre lang geradezu Meister darin, sich bei anderen Kulturen zu bedienen, um den eigenen Glauben leben zu können.

Sich an anderen Kulturen bedienen und sie ausnutzen, um die eigene zu stärken – ich finde es wichtig, dass wir darüber diskutieren, wie z.B. bei Winnetou. Da braucht es viel mehr Sensibilität und Respekt.

Ich finde es wichtig, dass wir darauf achten. Es könnte ja dazu helfen, anders mit Menschen aus anderen Kulturen umzugehen. Wenn wir mit ihnen so in Kontakt kommen, dass wir uns gegenseitig mit dem bereichern, was gut ist, ohne die anderen zu unterdrücken, dann könnte das doch auch ein Weg sein, wie die Menschen aus allen Kulturen zusammenwachsen und friedlich zusammenleben.

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