Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

25SEP2022
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Michaels Sohn soll im Oktober anfangen zu studieren, aber er findet einfach kein Zimmer. Die Mieten sind unerschwinglich. Und selbst bei den Zimmern, die er sich dann doch anschaut, hat er unfassbar viele Mitbewerber. Damit er trotzdem mit dem Studium beginnen kann, hat Michael nun auf einem Campingplatz einen Stellplatz gemietet. Sein Sohn wird die erste Zeit wohl im Familienzelt wohnen.

Michael macht sich Sorgen. Aber er ist auch wütend. Er ärgert sich über die Mietpreise. Er ärgert sich über eine Politik, die oft die jungen Menschen nicht im Blick hat. Er ärgert sich und weiß manchmal nicht wohin mit der Wut und den Sorgen. Wie geht man mit Sorgen um? In der Bibel gibt es einen Rat, den ich hilfreich finde. Da steht: Alle Eure Sorgen werft auf Gott! Das ist ein sehr dynamischer Umgang mit den Sorgen. Man soll sie packen und auf Gott schleudern. Ich stelle mir das sehr befreiend vor. Und deshalb schlage ich Michael vor, dass wir das gemeinsam machen könnten.

Nun sind Sorgen ja nichts, was man wie einen Ball in die Hand nehmen kann und werfen. Es braucht also ein bisschen Fantasie – und ein paar Hilfsmittel. Deshalb treffen wir uns für einen Spaziergang und unterwegs sammeln wir Steine. Unsere Taschen werden immer schwerer. Wie die Sorgen, die auf Michaels Schultern lasten. Und dann kommen wir bei unserem Ziel an: einem Weiher im Wald. Ruhig und dunkel liegt das Wasser da. „Und jetzt werfen!“, sage ich zu Michael. Etwas unschlüssig wiegt er den ersten Stein in der Hand. Aber dann holt er aus und schleudert ihn mit voller Wucht in den Weiher. Es platscht gehörig. Und das Wasser wirft Kreise und Wellen. Zack – der nächste Stein folgt. Und ich mache jetzt auch mit. So pfeffern wir Stein um Stein in den Weiher. Am Ende sind wir ganz schön außer Atem. Aber auch irgendwie befreit. Es hat gutgetan, diese ganze Energie rauszulassen. Das ändert nichts daran, dass Michaels Sohn im Zelt schlafen muss. Und es wird auch nicht leichter für all die anderen Menschen, die nach bezahlbarem Wohnraum suchen. Aber es ist gut, ein Ventil zu haben. Und auch eine Adresse für die Wut und die Sorgen. Ohne dabei jemanden zu verletzten. All Eure Sorgen werft auf Gott. „Und was macht Gott jetzt mit all den Sorgen?“, fragt Michael zum Schluss. Ich weiß es nicht genau, aber als ich mich noch einmal umdrehe, liegt der Weiher wieder da wie zuvor– ruhig und dunkel. „Er trägt sie“, sage ich, „damit Du das nicht allein tun musst.“   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36218
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