SWR2 Wort zum Tag
Seit wenigen Wochen kann man im Naumburger Dom ein neues Altarbild bestaunen. Gemalt im Stil eines mittelalterlichen Künstlers. Es ersetzt ein im 16. Jahrhundert mutwillig zerstörtes Altarbild von Lucas Cranach. Die beiden Seitenflügel des alten Altars gibt es noch. In der Mitte ist nun dieses neue Bild zu sehen. Der Leipziger Künstler Michael Triegel hat es gemalt.
Maria mit dem Kind, dazu ihre Mutter Anna, Petrus und Paulus – alle sind sie zu sehen. Aber irgendwie doch ganz anders als gewöhnlich. Paulus ist als Rabbiner dargestellt. Für Petrus mit roter Baseballmütze hat dem Künstler ein Nichtsesshafter in Rom Modell gestanden. Dietrich Bonhoeffer habe ich entdeckt. In Maria und ihrer Mutter hat der Künstler seine Tochter und seine Frau verewigt.
„Das sind ja Menschen wie du und ich. Das sind doch keine Heiligen!“ So reagieren viele Menschen, wenn sie das neugeschaffene Altarbild zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Der Künstler dürfte mit dieser Deutung mehr als zufrieden sein. Weil genau das für ihn Heilige ausmacht, dass sie „von dieser Welt“ sind, wie er sagt.
Mit seiner Deutung dessen, was einen Menschen heilig macht, verbindet er eine besondere Botschaft: Menschen sollen nicht ausgegrenzt werden, weil sie irgendwie anders sind. „Kein Mensch ist mehr oder weniger wert, weil er bestimmte Erkennungsmerkmale an sich trägt. Weil er arm oder reich ist, mächtig oder ohnmächtig, hell- oder dunkelhäutig. Alle sind einfach Menschen, genau wie Gott in Christus Mensch geworden ist. So ähnlich hat Paulus das einmal formuliert. (Galater 3,28). Mit den Augen Gottes betrachtet, sind alle Menschen gleich. Und alle auch heilig.
Etwas davon müsste auch in der Kirche zu spüren sein, denke ich. Ich bin sicher, dass viele Menschen diese Sehnsucht teilen. Die Sehnsucht nach einer Einheit, die die widerspiegelt, dass alle Menschen von gleichem Wert sind und ihnen dieselbe Würde zukommt.
Etwas von der Verwirklichung dieser Sehnsucht habe ich in den letzten Tagen in Karlsruhe erlebt. Bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Mehr als viertausend Menschen aus aller Welt haben sich da getroffen. Menschen wie du und ich. Sie alle geben dieser Sehnsucht nach gleichem Wert und gleicher Würde Gesicht.
Alles Menschen wie du und ich. Viele Altarbilder könnte man mit ihnen gestalten. Weil sie für Gott alle heilig sind. So gesehen müsste es für jeden Menschen Platz auf irgendeinem Altarbild geben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=36134