SWR2 Wort zum Tag

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14SEP2022
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Spätestens beim Wohnung einrichten taucht die Frage auf: ein Kreuz aufhängen oder nicht. Soll man sich als Christ outen – wenigstens in den eigenen vier Wänden?  Für die Öffentlichkeit ist die Sache ohnehin umstritten. Jetzt wo sich nicht einmal mehr 50 % aller Bundesbürger einer christlichen Kirche zugehörig fühlen erst recht. Anstößig ist die Sache mit dem Kreuz allemal. Einen gefolterten Mitmenschen abzubilden und in den Mittelpunkt zu rücken, hat etwas Obszönes. Umso merkwürdiger erscheint das Fest, das heute im kirchlichen Kalender steht: Kreuzerhöhung – eine seltsame Formulierung, aber eine ganz wichtige Sache. Denn da geht es um die Quintessenz christlicher Hoffnung.

Kreuz Erhöhung – das erinnert an die Einweihung der Grabeskirche in Jerusalem im Jahre 353. Der Platz, wo Jesus hingerichtet wurde, galt von früh an als heilig. Und noch heute ist es ein bewegender Ort. Auf dem Kreuzweg Jesu unterwegs zu sein, kann unter die Haut gehen. Schon der Apostel Paulus hatte entschieden gesagt: „Wir aber rühmen uns des Kreuzes Christi“. Es ist das Alleinstellungsmerkmal christlichen Glaubens, sein Güte- und Markenzeichen also. Aber sofort ist wieder die Frage da: warum ausgerechnet einen Gekreuzigten in den Mittelpunkt stellen, warum sein Kreuz aufhängen und erhöhen? Lebt sich nicht besser ohne? Ja, selbstverständlich, lautet die Antwort. Gewalt und Leiden sollen nicht sein, gerade im Namen Jesu nicht! Aber sie sind de facto doch da – und wir müssen uns diesem factum brutum stellen. Genau deshalb schauen wir auf den Gekreuzigten, genau deshalb sind wir gegen Illusionen vom leid- und gewaltfreien Leben schon jetzt.

Paulus hat Recht: „das Wort vom Kreuz ist den einen ein Ärgernis, den anderen eine Dummheit, uns aber Gottes Kraft und Weisheit“. Wir schauen genau auf diesen Kreuzungspunkt hin, wo Jesus für die Liebe, ja die Feindesliebe in den Tod ging. Er wurde von Gott beglaubigt. Er durchbrach das Terrorregime der Gewalt und verschaffte der Liebe Raum, der Feindesliebe gar.  Nicht länger muss sich das Hamsterrad des „wie du mir so ich dir“ drehen. Durchkreuzt sind die Teufelskreise des Bösen. Nicht wegschauen und vom besseren Leben nur träumen, sondern hinschauen auf die Welt wie sie tatsächlich noch ist. Aber der Durchbruch ist geschafft, definitiv. Leben ohne Gier und Gewalt ist möglich. Kreuz Erhöhung – wirklich ein Fest.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36133
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