Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10SEP2022
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Genau so wie er gelebt hat, ist er beerdigt worden. Anselm Jopp, der Pfarrer meiner Heimatgemeinde. In diesem Sommer ist er mit fast 90 Jahren gestorben. Trotz aller Trauer war es ein bewegender und ein schöner Abschied. Weil der Pfarrer so beerdigt wurde, wie er selbst gelebt hat. Und das hat dann so ausgesehen: Eine Frau hat seine Trauerfeier geleitet, die Lesung wurde von einer Frau vorgetragen und die Kommunion von Kommunionhelferinnen ausgeteilt. Ziemlich ungewöhnlich für die Beerdigung eines Priesters. Wo doch sonst in der katholischen Kirche das meiste von Männern dominiert ist. Aber so hatte Anselm Jopp es sich gewünscht. Ministrantinnen mehrerer Generationen haben seinen letzten Weg begleitet; und zum Empfang der heiligen Kommunion waren ganz selbstverständlich alle eingeladen, wie immer in seinen Gottesdiensten.

Für die Gemeinde sind die letzten Wünsche ihres Pfarrers nicht überraschend gewesen, sondern im Gegenteil: konsequent. Denn sie hat 50 Jahre lang einen Priester erlebt, der in der katholischen Kirche etwas verändern wollte: Zeit seines Lebens hat er sich dafür eingesetzt, dass die Pflicht zum Zölibat abgeschafft wird. Er hat gekämpft und argumentiert, dass auch Frauen Zugang zum Priesteramt erhalten und hat sie gefördert, wo immer es möglich war. Wer zu ihm in den Gottesdienst kam, war immer eingeladen, die Eucharistie zu empfangen. Ganz egal ob er evangelisch war oder zum zweiten Mal verheiratet. Er hat Menschen beerdigt, die aus der Kirche ausgetreten waren und hat Paaren den Segen zugesprochen, die schon einmal geschieden waren. All das ist nicht im Einklang gewesen mit der Lehre seiner Kirche. Für ihn hat das nie die entscheidende Rolle gespielt.

Einen Satz unseres Pfarrers habe ich mir gemerkt, weil ich ihn so richtig finde: „Unsere Kirche ist keine Kirche des Rechts, sondern eine Kirche der Liebe“. Genau so ist er mit den Menschen in seiner Gemeinde umgegangen: Jeder war für ihn wertvoll und wichtig, für jeden hat er eine passende Aufgabe gefunden. Einen Großteil seines Gehalts hat er nach Südamerika überwiesen und soziale Projekte unterstützt.

Bei der Beerdigung von Pfarrer Jopp ist mir eines sehr bewusst geworden, für mich und die Zeit, die ich noch leben darf: Wenn ich vom Ende her denke muss ich fragen: Wie will ich beerdigt werden? Was soll von mir in Erinnerung bleiben? Wofür will ich in meinem Leben gestanden haben? Und so muss ich leben. Damit ich dann auch einmal so beerdigt werden kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36106
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