Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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06SEP2022
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Zustände wie im Mittelalter! So kommt mir vor, was in den USA derzeit geschieht: Schwangere Frauen tauschen untereinander Anleitungen und Rezepte: aus welchen Pflanzen lassen sich die besten „Abtreibungssäfte“ herstellen? Das muss man sich mal vorstellen. Aber neue Gesetze in den USA führen zu solchen Situationen. Schwangerschaftsabbrüche sind in vielen Bundesstaaten jetzt absolut verboten. Dasselbe passiert seit zwei Jahren in Polen. Mit Unterstützung der katholischen Kirche.

Ich finde diese Entwicklung beängstigend. Weil es hier nur scheinbar um den Schutz des Lebens geht. Hier geht es um Macht. Frauen werden entmündigt, es wird ihnen nicht zugetraut, dass sie selbst entscheiden können. Der Staat nimmt sich das Recht, über das ungeborene Leben im Körper einer Frau zu entscheiden.

Dabei ist es grundsätzlich richtig; das werdende Leben braucht Schutz. Aber das gelingt nicht mit einem Verbot. Alle Erfahrungen und Zahlen belegen: die Geburtenrate ist in den Ländern höher, in denen es eben kein striktes Abtreibungsverbot gibt. Zum Beispiel in Schweden. Neuem Leben eine Chance geben - das geht nur mit der Frau, nicht gegen sie. Deshalb ist es gut, dass Frauen, die ungewollt schwanger sind, in Deutschland beraten und begleitet werden. Auch die Kirchen stehen den Frauen hier zur Seite. Zwei entscheidende Dinge dürfen dabei nicht aufs Spiel gesetzt werden. Jede Situation ist anders und verdient es, genau angeschaut zu werden. Und: Die Würde der Frau wird nur ernst genommen, wenn die Beratung offen ist – und das Ergebnis nicht von vorneherein feststeht.

Ich mache mir Sorgen. Nicht nur wegen der Zustände in den USA und in Polen. Was hier bei uns passiert, ist ebenfalls nicht gut. Es gibt immer weniger Praxen und Ärzte, die Abtreibungen vornehmen. Weil sie beschimpft und bedroht werden, weil ihre Arbeit kriminalisiert wird. Es ist überhaupt keine Frage: es muss so wenig wie möglich Abtreibungen geben. Dafür brauchen Frauen aber eine echte Perspektive: Dafür notwendig sind erstens: eine gute und professionelle Beratung und Begleitung. Zweitens: eine finanzielle Unterstützung, die weit über die ersten Lebensjahre hinausreicht. Zum Beispiel ein Elterngeld, das nicht vom Einkommen abhängt und so hoch ist, dass eine Frau auch ohne Partner mit einem Kind leben kann. Und drittens: eine Haltung, die Frauen nicht verurteilt. Das wünsche ich mir vor allem von meiner, von der katholischen Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36102
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