SWR3 Gedanken

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01SEP2022
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Ich arbeite seit kurzem in einer Kirchengemeinde. Dort habe ich eine Kollegin; sie ist Pastoralreferentin und leitet von Berufs wegen Beerdigungen. Meistens mit vielen Menschen; mit Angehörigen, die von dem Verstorbenen erzählen, die Blumen kaufen und liebevoll Abschied nehmen. Aber manchmal ist es auch ganz anders. Dann stirbt ein Mensch, aber es ist niemand da, der sich um die Beerdigung kümmert. Niemand, der am Grab steht und um den Verstorbenen trauert. Vielleicht weil alle Freunde und Bekannten schon tot sind. Weil er keine Kinder hatte oder einsam war. Meine Kollegin macht sich dann auf die Suche. Sie recherchiert zum Leben des Verstorbenen und spricht zum Beispiel mit seinen Nachbarn. Auch wenn es nicht viel ist – mit dem, was sie findet, schreibt sie eine Predigt für die Trauerfeier. So wie für jeden anderen auch. Oft ist es nur der Bestatter, der ihr zuhört, manchmal kommen wenigstens ein paar Gemeindemitglieder, obwohl sie den Toten gar nicht kannten.

Im ersten Moment habe ich gedacht: Warum das alles? Warum investiert sie so viel Mühe und Zeit, wenn am Ende keiner kommt.

Für meine Kollegin steht dahinter die Überzeugung, dass jeder Mensch es verdient, dass man sich an ihn erinnert. Es geht ihr um Respekt vor jedem Leben, egal wie einsam jemand war oder welche Stellung er in der Gesellschaft hatte. Und schließlich geht es auch um Würde. Für mich bleibt die Würde eines jeden Menschen auch im Tod bedeutsam. Ja, sie zeigt sich dort ganz besonders. Deshalb ist es nicht egal, wie wir mit Verstorbenen umgehen oder von ihnen sprechen. Deshalb ist die Arbeit meiner Kollegin so wichtig.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36095
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