SWR2 Wort zum Tag

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06SEP2022
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Es regnet. Fast hätte ich es nicht gemerkt. Dabei hätte ein Blick aus dem Fenster genügt. Aber ich schaue gerade nicht zum Fenster hinaus. Ich sitze seit geraumer Zeit am PC und schreibe an meiner Predigt. Völlig vertieft in meine Gedanken und darüber wie ich diese am besten zum Ausdruck bringe. Und da fällt mein Blick zufällig auf die kleine Anzeige rechts unten in meiner Taskleiste. Und da steht neben einer kleinen grauen Wolke mit Regentropfen und der Temperaturangabe 22° Grad: Es regnet!

Ich bin doch ein wenig verblüfft. Einerseits über das völlige Vertieftsein in meine Arbeit. Wobei ich es durchaus als gerechtfertigt empfinde, wenn ich mich intensiv mit etwas beschäftigen möchte. Andererseits finde ich es aber auch erschreckend, dass mir mein PC mitteilen muss, dass es draußen regnet. Ich frage mich: Sind wir jetzt schon so weit, dass ich mir per Satellit über ein digitales Endgerät sagen lassen muss, wie das Wetter draußen vor meinem Fenster ist?

Diese kleine Anzeige an meinem PC ist ein automatisch generiertes Angebot von Microsoft. Und nun suggeriert sie mir, lebensweltlich so in meiner digitalen Höhle gefangen zu sein, dass ich erst durch dieses Fenster an meinem PC die Welt da draußen wahrnehme, wie sie ist. Das muss ich innerlich erst mal sacken lassen.

Sicher ist dieser Informationsservice über das gegenwärtige Wetter gut gemeint. Es kann ja durchaus sein, dass mancher im Keller am PC arbeitet. Oder wegen der Hitze den ganzen Tag die Jalousien geschlossen hat. Und auch wenn es nicht so ist, werde ich als Nutzer stets aktuell und rechtzeitig informiert. Und kann, immerhin, diese Information mit meinem eigenen Wahrnehmen und Erleben in einen Abgleich bringen. Manchmal vermeldet mir nämlich mein PC ein „leicht bewölkt“ und in Wirklichkeit sehe ich durch mein „analoges“ Glasfenster, dass es regnet. Das kommt selten, aber eben doch auch mal vor.

Irgendwie bringt mich das wieder zurück zu meiner Predigt. Es geht um die Frage, was eigentlich wichtig ist im Leben. Auch im Blick auf die digitale Technik, die wir nutzen: Was ist Wirklichkeit? Da fällt mir Meister Eckhart ein. Ich meine, er hat den deutschen Ausdruck „Wirklichkeit“ als Übersetzung des lat. „actualitas“ geprägt. Der Begriff hat also seine Wurzeln in der Theologie. Das ist ja interessant. Also – wirklich!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36019
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