SWR1 Begegnungen

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21AUG2022
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Rebecca Anderson

Peter Annweiler trifft Rebecca Anderson, Pfarrerin und Storyteller in Chicago

Kirche in der Kneipe

Sie hat Humor. Sie liebt es, unkonventionell zu sein. Und sie ist Pfarrerin von GILEAD, einer humorvollen, unkonventionellen, junge Gemeinde im Norden Chicagos. Dort, in Chicago, durfte ich mich ein Vierteljahr umschauen an der Uni, in den Kirchen und in der Stadt. Und ich muss Ihnen hier im Radio einfach von GILEAD und Rebecca  erzählen. Frische Ideen für die Kirche verdienen Aufmerksamkeit.   

The phrase “queer story telling bar church” will make people’s head turn So it’s a short cut, that even though you and I know,  that plenty of Christians drink beer, for other people who are steeped in a special kind of American evangelism it just cuts through noise. 4.45 It says something to the people who it’s for. It says: We mean it. It really is different.

 

Das Motto weckt die Leute auf. Ohne Umschweife.  -  Klar, für viele ist es kein Widerspruch, wenn Christen Bier trinken. Aber manche stecken fest in einer speziellen Art von amerikanischem Evangelikalismus. Und genau zu denen spricht unser Motto. Es macht klar: Wir meinen es ernst und es ist wirklich anders.

 

„Queer storytelling bar church“.  - Soll das heißen: Kirche in der Kneipe? So richtig regelmäßig für PartyPeople mit Pop und Rock? Und offen für Schwule, Lesben und Transpersonen, die ihre Geschichte da erzählen?
Ja – so kann man es erleben, wenn nicht gerade Corona ist. Ich jedenfalls bin bis heute baff über diese Mischung aus Musik, Geschichten und Gebet. Und für Rebecca Anderson ist ganz klar, was dabei wichtig ist.  

What we thought would be our three core practices which we would do: make beautiful, creative worship together, we would grow and share good food and we would tell true stories that saved lives.

 

Drei Dinge machen unsere Arbeit aus:  Wir feiern wunderbare, kreative Gottesdienste. Wir bereiten tolles Essen zu und genießen es gemeinsam. Wir erzählen Geschichten, die Leben gerettet haben. 

 

Gottesdienst, Essen und Trinken, Stories. So einfach klingt das. Und doch steckt so viel Aufmerksamkeit , Mühe und Liebe zum Detail dahinter. Rebecca Anderson fängt vor fünf Jahren einfach damit an. „Church Planter“ sagen die Leute zu einer wie ihr. Sie pflanzt eine neue Gemeinde. Nicht als Einzelkämpferin, schon mit einem Team, mit Projektmitteln, mit Spenden. Aber auch mit einem großen amerikanischen Pioniergeist. – Ich weiß: Der lässt sich nicht so einfach hierher übertragen. Und doch wünsche ich mir manchmal mehr davon. Mehr Schwung, der es einfacher macht, Tanzen und Beten, Party und Gottesdienst zusammen zu bringen.

We have a pretty robust theology of parties and festing and joy that does not require alcohol. But Isaiah 25 was one our grounding scriptures: that God will make on his mountain a feast for all peoples with rich food and clear wine. 

 

Für unsere Sache braucht es eigentlich keinen Alkohol. Aber bei Jesaja steht: Gott wird ein großes Fest auf seinem Berg veranstalten - für alle Menschen mit opulentem Essen und gutem Wein.

 

Ganz genau spüre ich: Es geht Rebecca Anderson nicht um den Rausch der Party oder den Erfolg. Wenn etwas ver-rückt daran ist, dann ist es die ver-rückende Sicht Gottes.

So part of what undergrids the passion for my work is trying to create conditions for another specific translation of the gospel, so that other people may come and have that feeling or experience where they can understand the gospel.

Was die Begeisterung für meine Arbeit trägt, ist ganz einfach der Versuch, eine neue und aktuelle Übersetzung für Gottes Evangelium zu finden. So dass auch andere Menschen es erleben und sich verstanden fühlen können.

 

Und wieso Rebecca Anderson für das neue Verstehen der alten Botschaft  auf „Storytelling“ schwört, davon erzähle ich Ihnen gleich nach der Musik.

 

Storytelling

Rebecca Anderson ist Pfarrerin von GILEAD, a queer story telling bar church. Gut, es ist zwar in Chicago, dort durfte ich mich dieses Jahr ein bissel umschauen. Aber weil ich immer noch so fasziniert bin, möchte ich Ihnen heute zeigen, wie einfach Kirche lebendig sein kann.

What we’ve said initially: we are a church for and with people who have been told or made them feel that church is not for them. And people that come to my mind immediately are queer people. And lots of other people have been told that church is not for them: you know, including smart people  (laughs)

Von Anfang an haben wir gesagt: Wir sind eine Kirche von und mit Menschen, die immer hören oder fühlen mussten : ‚Kirche ist nichts für Dich!‘ – Und zuerst fallen mir dazu queere Menschen ein. Aber auch viele andere haben das ja genauso empfunden, zum Beispiel „Smart People“, also  echte Intelligenzbolzen… (lacht)

 

Menschen zu gewinnen,  die dachten , die Kirche sei nichts für sie – das macht die Mittvierzigerin jetzt seit fünf Jahren.  Schließlich ging es ihr selbst so.

So my dad is a pastor, an evangelical pastor of small evangelical churches, white conservative. When I was ten or so I really wanted to be a pastor’s wife. That’s what was available. We did not have women in any leadership roles at all – we certainly were not affirming queer people.

Mein Vater ist ein evangelikaler Pastor in einer kleinen weißen konservativen Gemeinde. Als ich zehn war, wollte ich Pfarrfrau werden! – Das ist das einzige, was für Frauen in der Kirche ging. Da waren keine Leitungsaufgaben und erst recht keine Akzeptanz für Homosexuelle.

Eine Geschichte von Verletzung und Heilung schließt sich an. Lange Jahre der Distanz. Sie entdeckt ihr Talent, Geschichten zu erzählen. Sie wird bekannt für ihr Storytelling. Flott und frisch tritt sie in Bars und Clubs auf. Und dann begreift sie es als ihren Weg, das alles mit der Kirche zu verbinden.

When I came to Chicago I discovered that the LIVE-Story-Telling Scene was kind of blowing up through the mars and was captured my imagination of what it was that people were so hungry to hear these true stories. And the part of me that’s actually quite evangelical (smiles),  is that my response was like: ‘Do we not have a true  story that we believe in telling in community?’ And felt like it was coming on us as a church to get in on that moment that was happening culturally.

Als ich nach Chicago am, entdeckte ich, dass die Story-Telling-Szene gerade durch die Decke ging. Und ich war fasziniert davon, dass die Leute so scharf drauf waren, diese einfachen und wahren Geschichten zu hören. – Und da gab es einen missionarischen Anteil in mir, der sagte: ‚Leben wir in der Kirche nicht davon, eine wahre Geschichte zu erzählen? – Und ich dachte, es ist unsere Aufgabe, diesen kulturellen Storytelling-Trend in die Kirche zu bringen

Theologie und Trend finden auf Rebecca Andersons Weg zusammen. Schließlich ist schon die Bibel ist ein Buch voller Geschichten und schon Jesus war ein großer Storyteller.

If many of us have been told that our stories are not welcome at church or are not appropriate for church or not part of the church story, that does at least two things: 1) It is damaging to the person who is silenced. 2) The body of Christ is missing parts.

Viele von uns haben es so empfunden, dass sie mit ihrer Lebensgeschichte nicht in der Kirche willkommen sind. Das macht mindestens zwei Dinge: Es schadet denenigen, die zum Verstummen gebracht werden. Und es amputiert Teile vom Leib Christi.

Es ist so einfach: Jede Lebensgeschichte ist es wert erzählt zu werden. Und Geschichten von denen am Rand sind der größte Schatz der Kirche.

I think it is doing honor to parts of the body that have been silenced …  to invite them to a microfon,  hear them tell their story and say “This is the word of God” That is theologically probably the biggest reason why we do it. Also it makes forbid-church. It’s fun. (laughs)

Ich glaube, es ehrt die Menschen, die übersehen wurden, ihre Geschichte zu hören und zu sagen: „Das ist Gottes Wort.“ - Aber es ist auch so ne Art subversive Geheimkirche. Es macht Freude!“ (lacht)

 

Wunderbar, wenn Kirche so einladend ist, so viel Heilung schenkt und so viel Freude macht.  Für diese Entdeckung muss man eigentlich nicht nach Chicago. Aber in der Ferne leuchtet manches kräftiger!

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Mehr Informationen zu Gilead:
www.gileadchicago.org

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35980
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