SWR3 Gedanken

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20AUG2022
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Arnold war in meinem Dorf unterwegs seit ich denken kann. Jahrelang bin ich jeden Tag mit ihm im selben Bus gefahren. Da haben ihm manchmal irgendwelche Halbstarke ein paar Euro abgeknöpft.

Arnold ist jetzt gestorben. Er hatte eine geistige Behinderung und hat immer nur im Hier und Jetzt gelebt. Pläne schmieden oder sich tausend Gedanken machen, das war nicht sein Ding. In seiner Todesanzeige stand: „Wir verlieren einen ausgeglichenen und lebensfröhlichen Menschen.“

So habe ich Arnold auch erlebt. Er hat immer freundlich gegrüßt und jedes Mal dazu gewunken. Wenn ich mit dem Kinderwagen im Dorf spazieren war, und er mir entgegen gekommen ist, dann hat er gelächelt und monatelang dieses eine Wort gesagt: „Glückwunsch.“

In der Bibel gibt es einen Satz von Jesus, der heißt: „Glücklich sind, die arm sind im Geist, denn ihnen gehört das Himmelreich.“

Schon interessant, dass Jesus das über Menschen wie Arnold sagt, und an einer anderen Stelle sagt er das auch über Kinder. Ihnen gehört das Himmelreich. Vielleicht geht es darum, dass Menschen mit geistigen Handicaps und Kinder oft so unvoreingenommen sind. Dass sie ohne Hintergedanken agieren, einfach ehrlich sind und frei heraus leben.

Da kann ich mir was abschauen. Denn ich ticke ganz anders als Arnold. Ich denke oft ewig darüber nach, was war oder was auf mich zukommt. Als Normalo stehe ich mir oft ganz schön im Weg. Wenn ich aus dem Hirnen und Ausreden Suchen gar nicht mehr rauskomme, wenn ich ewig misstrauisch bin oder wenn ich mir die Welt schön rede, obwohl sie es einfach nicht ist. Zu mir selbst und zu Gott finde ich vielleicht eher, wenn ich mehr im Hier und Jetzt lebe. So wie es Arnold gemacht hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35979
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