Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11AUG2022
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Verletzungen zu verarbeiten und hinter sich zu lassen, lernt man nicht von selbst. Wie mache ich meinen Frieden, mit Menschen, die mich enttäuscht haben? Wie kann ich mich versöhnen mit Andersdenkenden, zum Beispiel in der Impffrage? Unverheilte Wunden können uns zusetzen. Es heißt: Verzeihen können, hilft glücklicher zu sein. Aber wie geht das?

Ein zufriedenes und glückliches Leben führen, ist nicht nur ein Geschenk, es ist auch eine bewusste Entscheidung. Die Frage ist ganz einfach: was fällt mir leichter: verzeihen oder Rache üben? – Bin ich eine von den Personen, die nie zufrieden ist und immer sofort weiß, wer oder was schuld ist: der böse Ex, die unglückliche Kindheit, der fiese Chef, wenn ich arbeitslos werde? - Oder kann ich schlechte Erfahrungen hinter mir lassen? Kann ich Tiefschläge wegstecken, immer wieder neu anfangen, ohne bitter zu werden, auch wenn die Welt es nicht immer gut mit mir meint? Versuche ich mein Leben zu gestalten, statt mich immer nur als Opfer zu verstehen? Kann ich „wieder aufstehen, Krone richten, weitergehen“, wie es ein Spruch sagt?

Verzeihen heißt nicht, besonders mild oder konfliktscheu zu sein, sondern souverän großzügig sein. Verzeihen ist ein Geschenk, das ich mir selber machen kann. Wenn ich jemandem aufrichtig verziehen habe, dann hat er keine Macht mehr über mich.

Es geht nicht um ein lässiges „Schwamm drüber“, nicht um vergessen und verdrängen. Im Gegenteil: Wer wirklich verzeihen lernen möchte, muss dahin wo es wehtut. Die eigenen Gefühle kennen: Scham, Angst, Ohnmacht, Wut. Mir hilft es aufzuschreiben, wie ich mich fühle. Oder mit jemand darüber reden. Das ist der erste Schritt. Der zweite ergibt sich daraus: Abstand gewinnen. Nicht nur betroffen sein. Sich in die Rolle der anderen hineinversetzen: Warum hat mein Gegenüber sich so verhalten? Was war vielleicht mein eigener Anteil daran, etwa beim Ende einer Beziehung? Und dann der bewusste Entschluss: ich möchte die Sache hinter mir lassen. „Wer nachträgt, trägt schwer.“ heißt es. Das beschreibt, wie belastend es sein kann, wenn man nicht verzeiht. Ich finde: verzeihen lernen lohnt sich. Denn dann kann ich meine eigene Geschichte immer wieder anders weiterschreiben. „Vergeben bedeutet, dass ich aufhöre auf eine bessere Vergangenheit zu hoffen“ sagt die Autorin Melanie Wolfers, und „Wenn ich mir selbst verzeihe, akzeptiere ich mich als unperfekten Menschen.“

Mir helfen solche Gedanken, um gelassener mit mir und meinen Mitmenschen umgehen zu können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35948
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