Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10AUG2022
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Im Glaubensbekenntnis formulieren die Christen: Jesus ist „aufgefahren in den Himmel; …von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Es gibt diese christliche Vorstellung: Jesus der Weltenrichter. Er wird uns am Ende der Zeit befragen und entscheiden, wer in den Himmel kommen und wer zur Hölle fahren muss. Diese Idee eines „jüngsten Gerichts“ gibt es in vielen Religionen. Am Ende eine ausgleichende Gerechtigkeit.

Ich finde dieses „jüngste Gericht“ ist ein überholtes Bild. Es gehört aber zu der eigenartigen Spannung in der Botschaft Jesu: Einerseits predigt er die Nächstenliebe und sagt, das Reich Gottes ist mitten unter euch, andererseits ist es ein zukünftiges Ereignis. Jetzt schon da und gleichzeitig noch nicht.

Ich glaube, dass uns Christus in erster Linie jetzt, heute in unseren Mitmenschen begegnet. Ich warte nicht auf den wiederkehrenden Christus. Ich warte nicht auf das Ende der Welt, sondern: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn er kommt.“ Das ist der Refrain aus einem Kirchenlied. Dieses Lied ist für mich wertvoll, weil es sehr gut zusammenfasst, was Christsein bedeutet. Es ist wie ein Leitfaden für christliches Handeln: Die Strophen beschreiben den Weltenrichter, der uns Fragen stellt: „Der Herr wird nicht fragen: Was hast du gespart, was hast du alles besessen? Seine Frage wird lauten: Was hast du geschenkt, wen hast du geschätzt um meinetwillen?“ so heißt eine Strophe.

Wir häufen immer mehr Wissen an. Wir lernen stetig. Aber was nützt uns die beste Technik, wenn wir es nicht einmal schaffen, mit unseren Nachbarn in Frieden zu leben? Ist es der Sinn unseres Lebens, andere Menschen oder die Natur zu beherrschen, zu unterwerfen, ja auszubeuten? Es ist doch sonderbar: wir wollen überall hinreisen und wollen ständig erreichbar sein. Wir erforschen den Mond und die Sterne und stoßen immer tiefer ins Weltall vor. Dabei vergessen wir, dass wir hier auf diesem Planeten leben, nicht nur miteinander, sondern füreinander.

Außer Essen und Trinken und einem Dach über dem Kopf brauchen Menschen Zuneigung und Anerkennung. Als Mensch möchte ich geliebt werden. Und schließlich geht es darum, nicht nur schöne Worte zu machen. Denn: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, … .“

Text von Alois Albrecht mit einer Melodie von Ludger Edelkötter

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35947
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