Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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08AUG2022
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Sie haben sicher schon einmal gesehen, wie ein Hund sich schüttelt. Es erfasst den ganzen Körper. Vom Kopf bis zu seiner Schwanzspitze. Mich fasziniert das bei unserem Hund. „Shake off“ heißt der Fachbegriff: „Abschütteln“. Bei Regen oder wenn der Hund aus dem Wasser kommt: Er befreit sein Fell von der Nässe. Aber er schüttelt sich auch einfach so. Zum Teil nach Situationen von Stress, wenn er aufgeregt ist, sich erschreckt hat. Oder sich ertappt fühlt, er etwas gemacht hat, das er eigentlich nicht darf. Das Schütteln wirkt wie eine Pause. Danach wirkt er wieder normal. Als ob der Hund die Situation „abschütteln“ kann. Auch nach dem Aufstehen schüttelt er sich. Er zeigt damit, dass er sich wohl fühlt, dass er mit sich und der Welt versöhnt ist.

Auch Menschen möchten versöhnt leben. Einfach nur schütteln wie ein Hund? Schön wär‘s. Meistens ist mir bewusst, wenn ich etwas falsch gemacht habe, sehe ich ein, dass ich etwas gesagt habe, das nicht in Ordnung war. Ich bereue dann so einen Fehltritt. Manchmal kostet es mich etwas Überwindung, das dann auch offen einzugestehen und auszusprechen. Ich nehme mir dann vor, solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, und, soweit das möglich ist, versuche ich etwas dafür zu tun, es wieder gut zu machen. Das Ritual der Beichte ist im Grunde genommen nichts anderes. Es wird als „Feier der Versöhnung“ verstanden. Belastendes darf sozusagen „abgeschüttelt“ werden.

Ich weiß, die Beichte hat bei manchen einen schlechten Ruf. Sie wurde zum Beispiel als moralisches Druckmittel missbraucht. Auch haben Menschen schlechte Erfahrungen gemacht, wenn man sie zur Beichte gezwungen hat. Das ist schade.

Ich möchte mich immer wieder mit meinem Leben versöhnen können, mit Gott und den Mitmenschen ins Reine kommen. Wenn es darum geht, Gedanken oder Gefühle loszuwerden, die mich belasten und ich anders weitermachen möchte, dann ist für mich das Schütteln von unserem Hund ein Vorbild geworden. Ich bin zwar kein Hund. Aber auch ich habe einen Körper. Morgens mache ich Yoga-Übungen. Da kann ich den vergangenen Tag noch einmal Revue passieren lassen und daran denken, was mich heute alles erwartet. Meine letzte Übung ist neuerdings ein „Shake off“: Ein Schütteln im Stehen von unten bis oben. Das geht ein paar Sekunden und dann fühle ich mich wahrscheinlich wie unser Hund: Einfach freier und offener für neue Begegnungen, Überraschungen und vielleicht stressige Situationen. Es ersetzt zwar keine Beichte, aber es tut unheimlich gut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35945
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