SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

13AUG2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Auf einer internationalen Pressekonferenz hat Walter Ulbricht das beteuert, am 15. Juni 1961. Wenige Wochen später beginnt in den frühen Morgenstunden des 13. Augusts der Mauerbau in Berlin. Über 28 Jahre sollte die Mauer letztlich Familien und Freunde trennen.

Und auch wenn oft wirklich niemand die Absicht hat, eine Mauer zu errichten – so oft gibt es sie trotzdem. Nicht immer sichtbar mit Steinen und Draht wie in Berlin. Es gibt auch gedankliche Mauern. Die Einteilung in „uns“ oder „mich“ und „die anderen“ zum Beispiel. In der Pandemie sind gedankliche Mauern emporgeschossen. Auch mitten durch Familien und Freunde. Mit dem Krieg in der Ukraine und all seinen Folgen gleich wieder.

Mich besorgt das. Diese gedanklichen Mauern sind nicht sichtbar. Sie verändern aber unser Miteinander als Gesellschaft. Wer anderer Meinung ist, wird abgekanzelt. Viel zu oft eskalieren Gespräche. Ich befürchte, dass das für unsere Gesellschaft, unser weiteres Miteinander Gift ist. Wie damals mit der Mauer in Berlin. „Die da drüben, die haben das falsche politische System.“ Gesagt haben das die Menschen auf beiden Seiten.

Vielen Menschen in der damaligen DDR haben Friedensgebete geholfen, nicht zu resignieren. Mir hilft ein altes Gebet aus der Bibel, damit ich wegen all der gedanklichen Mauern nicht resigniere. Da heißt es: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Ich glaube, genau das braucht es: Konflikte sportlich nehmen. Nicht persönlich. So kann man sich weiter in die Augen schauen. Und vor allem braucht es Leichtigkeit in festgefahren Situationen. Gedankliche Luftsprünge helfen dabei, neue Blickwinkel zu gewinnen. Auch einen neuen Zugang zueinander.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35944
weiterlesen...