SWR2 Wort zum Tag

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13AUG2022
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Manche Menschen führen ein Tagebuch. Sie schreiben Tag für Tag auf, was sie erlebt haben, was wichtig war an diesem Tag. Fassen ihre Gedanken und Gefühle in Worte. Und vertrauen es dem Tagebuch an. Manchmal füllt so ein Tag mehrere Seiten, manchmal sind es nur ein paar Sätze, manchmal steht vielleicht auch gar nichts drin.

Auch in der Bibel ist von einem solchen Tagebuch die Rede. Es steht gewissermaßen bei Gott im Regal oder liegt vielleicht auch gerade aufgeschlagen auf seinem Stehpult. In ihm sind, so die Vorstellung, die Erlebnisse und Erfahrungen aller Menschen enthalten. „Und alle Tage waren in dein Buch geschrieben“ heißt es in einem Psalm (Ps 139,16).

Manche mögen diese Vorstellung vielleicht schrecklich finden. Ich finde das einen tröstlichen Gedanken. Dass jeder Tag meines Lebens darin vorkommt. Naja, vielleicht nicht wirklich jeder. Manche Tage waren tatsächlich eher zum Vergessen, einfach nur öde und langweilig. Und bei anderen wäre es mir tatsächlich lieber, wenn niemand von ihnen wüsste.

Aber dass es Gott ist, der um mich und mein Leben weiß, gerade auch um meine Zweifel, Ängste und Nöte an bestimmten Tagen, das ist schon ein gutes Gefühl.

Als mich während des Studiums auf einmal Zweifel überkamen, ob das mit der Theologie wirklich das Richtige für mich ist und ich ständig darüber gegrübelt habe und lange gebraucht habe, bis ich mich dann doch dazu durchgerungen habe, das Examen zu machen, da war es tröstlich zu wissen, dass Gott meine Zweifel lesen konnte.

Genauso gern weiß ich aber unsere vielen Familienfeste in diesem Buch festgehalten.

Herrliche Tage, unbeschwert und fröhlich, mit einem leckeren Essen, gutem Wein, schöner Musik und vielen liebenswerten Gästen. Es ist gut, dass sie festgehalten wurden, denn manchmal vergesse ich, dass es sie gegeben hat.

Aber all diese Tage sind Teil meines Lebens und gehören zu mir. Mit jedem Tag meines Lebens habe ich mich in Gottes Tagebuch eingeschrieben. Mit meinem Lachen genauso wie mit meinem Weinen, mit schönen Tagen in froher Runde wie mit traurigen Tagen, Stunden der Stille und der Einsamkeit. Und ich weiß, in diesem Buch ist kein einziger davon vergessen.

Ich finde, es ist doch eine schöne Vorstellung zu wissen, dass ein Mensch mit seinem Leben Gott so wertvoll ist, dass er sein Leben in einem Buch bei sich festhält. So geht kein einziger verloren.

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