Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kinder lernen an Vorbildern. Sie tun nicht immer das, was Erwachsene von ihnen wollen. Aber sie tun sehr zuverlässig das, was sie bei den Erwachsenen sehen, und sie sagen das, was sie von Erwachsenen hören. Das sehe ich an meinen eigenen Kindern. Ich kann zum Beispiel meinem Sohn ein bestimmtes Schimpfwort zwar verbieten, aber solange es mir selbst ab und zu rausrutscht, sagt er es eben auch.- „Ein Vor-Bild sagt mehr als 1000 Worte“, meint der Pädagoge Albert Wunsch.

Manchmal ist mir diese Verantwortung zu viel. Dann möchte ich am liebsten sagen: „Nehmt euch lieber jemand anderen zum Vorbild, da gibt es bessere“. Aber ob mir das passt oder nicht: Kinder orientieren sich nun mal an den Menschen, die ihnen am nächsten stehen.

Erstaunlich, finde ich, wie der Apostel Paulus mit seiner Vorbildrolle umgegangen ist. Er hatte zwar keine leiblichen Kinder. Aber die Menschen, denen er geholfen hat, an Jesus Christus zu glauben, die waren so etwas wie Kinder für ihn. In seinen Briefen fordert er diese Christen dazu auf, sich ihn als Vorbild zu nehmen. Ihm hat es offenbar nichts ausgemacht, dass andere sich an ihm orientieren. Im Gegenteil, er hat eine Chance darin gesehen, Vorbild zu sein: Die Möglichkeit, andere auf einen guten Weg zu bringen und sie zu unterstützen.

Dabei ging es Paulus überhaupt nicht darum, als Vorbild stark und fehlerlos dazustehen. Im Gegenteil: Er hat ganz offen und ehrlich auch über seine Fehler und Schwächen gesprochen. Vielleicht war er gerade deshalb so überzeugend, weil er so ehrlich und echt war.

Das finde ich sehr entlastend: Ich brauche als Vorbild kein Überflieger zu sein. Vielleicht ist das sogar eines der wichtigsten Dinge, die Eltern ihren Kindern beibringen können: Sich anzunehmen auch mit seinen Schwächen.

Ich sehe bei Paulus: Vorbild sein ist nicht nur eine Last, sondern auch eine Chance: Meinen Kindern weiterzugeben von dem, was ich selbst gelernt habe im Leben, weiterzugeben von meinen Überzeugungen, von dem was ich hilfreich und richtig finde. Das gilt auch für die Erziehung im Glauben. Wenn man Christen fragt, wie denn das angefangen hat mit ihrem Glauben, dann erzählen sie sehr oft von Personen, die ihnen das Christsein echt und glaubwürdig vorgelebt haben.

Viele Eltern wünschen sich folgsamere Kinder. Dabei haben sie die bereits. Nur: folgen die Kinder eben nicht dem, was Eltern ihnen sagen, sondern viel mehr dem, was sie ihnen vorleben. Ich möchte mir das in Zukunft mehr zu Herzen nehmen. Ich vermute, dass täte nicht nur meinen Kinder sondern auch mir gut.

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