Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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25JUL2022
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Dieses Jahr ist ein recht gutes Jahr für Bienen, Wespen, Hummeln und Co. Als Imkerin habe ich Fortbildungen über Hornissen und Wespen gemacht und so darf ich diese umsiedeln. Daher hat mich ein Freund gebeten nach seinem Wespennest hinter der Balkonverkleidung zu schauen.

Das Nest sitzt etwas ungünstig: Wenn man durch die Balkontür geht, kreuzt man schnell die Flugbahn der Wespen. Umsiedeln ist in diesem Fall aber schwierig. Also probieren wir, mit einigen Schrauben und festem Stoff, die Flugbahn der Tiere umzulenken. Die Wespen fliegen nun von oben in ihr Nest und der Gang durch die Balkontür ist wieder frei.

Der Freund erzählt: „Normalerweise hab‘ ich da nicht lang gefackelt. Ich bin da immer mit einer Sprühdose rangegangen. Dann war das erledigt. Ich wusste nichts über Wespen – außer, dass sie nerven können.“

Umso bemerkenswerter ist daher die Begegnung mit einer Bekannten von ihm, nachdem wir mit der Arbeit am Wespennest fertig sind. Als sie beim Stichwort schon das Gesicht verzieht und mit: „Uhhh, Wespen!“ reagiert, nennt ihr der Freund prompt die vielfältigen Aufgaben der schwarz-gelben Tierchen: wie Bienen bestäuben sie Pflanzen und sammeln Raupen, Läuse und Ähnliches als Futter für den Nachwuchs. Und sie sind auch als Gesundheitspolizei tätig, wenn sie zum Beispiel tote Insekten wegräumen.

Inzwischen findet der Freund Insekten richtig interessant und beobachtet sie gerne auch mal genauer. Einmal allerdings ein bisschen zu nah: Er ist mit einer Wespe zusammengestoßen, die ihn dann gestochen hat. Schmerzhaft, aber er hat sich tapfer geschlagen. Es sind halt keine Kuscheltiere.

Die Haltung: Ich sprühe weg, was mir nicht in den Kram passt, finde ich schwierig. Wer bin ich denn, dass ich entscheide: Honigbienen sind beliebt und dürfen bleiben – Wespen sind doof und können umgebracht werden? Ich erinnere mich dann immer an den Leitspruch von Papst Johannes XXIII – der zu sich selbst gesagt hat: „Nimm dich nicht so wichtig!“ Er sagte das immer, wenn er fand, dass ihm die Menschen zu viel Bedeutung zugemessen haben. Und auch ich bin mit Blick auf die Wespen hier eben nicht die Chefin, sondern nur ein Teil vom Ganzen oder biblisch gesprochen, ich soll die Welt wie einen Garten pflegen und beschützen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35834
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