Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30JUL2022
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Von Zeit zu Zeit muss es einfach sein. Das Aufräumen. Und vor allem das Ausräumen. Denn nicht alles, was sich im Haushalt so ansammelt, lohnt sich aufzuheben. Ich weiß das, und doch tue ich mich schwer damit, Dinge wegzuwerfen oder wegzugeben, die mich eine Zeitlang begleitet und gute Dienste geleistet haben. Es kann sein, dass ich etwas, das ich brauche, überhaupt nicht mehr finde, weil sich so viel Unnützes drübergestapelt hat und das Wichtige richtiggehend unter sich begräbt. Dann hilft alles nichts, der Keller muss entrümpelt werden. Aber: was kann weg? Die Fritteuse vielleicht? Oder die Wanderschuhe, die sich doch nicht mehr zu reparieren lohnen? Die Lampe, die immer schon unpraktisch war, aber eben so gut in meine erste Wohnung gepasst hat?

Meine letzte Kelleraktion war nicht sehr erfolgreich. Ich konnte nur wenig ausmustern. Aber die Sortiererei hat mich auf einen Gedanken gebracht, an dem ich seither immer wieder rumdenken muss. So ähnlich wie mit meinem Abstellkeller ist das doch mit allem. Mit unserer Geschichte, mit unserer Kultur und auch mit der Kirche.

Was hat sich in der langen Geschichte der Kirche nicht alles angesammelt: Wie viele Lebensgeschichten und Bekenntnisse, aber auch Konflikte und Spaltungen! Und alles, was vergangen ist, hat man quasi im „Keller“ der Kirchengeschichte abgelegt. Dieser „Keller“ ist angefüllt mit allem Möglichen, das zu einer bestimmten Zeit wichtig war und gestimmt hat. Aber auch hier gilt wie in meinem Keller: die Zeit geht weiter. Zum Glück gab es zu allen Zeiten Menschen, die den übervollen Keller der Tradition immer wieder etwas entrümpelt haben. Sie haben den Blick auf das gelenkt, was es wert ist, bewahrt zu werden. Franz von Assisi fällt mir da zum Beispiel ein, der arm unter Armen lebte. Oder der Reformator Martin Luther, der mit Fehlentwicklungen in der Kirche aufräumen wollte.

Ich sehe, dass es auch heute mutige Menschen gibt, die miteinander anfangen, den Keller der Tradition aufzuräumen, sich von Altem zu trennen, wenn es nicht mehr zu gebrauchen ist. Und ich wünsche mir, dass bei dieser großen Aufräumaktion, zu der heute Viele in der katholischen Kirche bereit sind, auch die verantwortlichen Amtsträger mitmachen. Denn sie sind es, die letztlich zu entscheiden haben, was bleiben muss – und was weg kann. Um wieder Platz und Luft zu schaffen. Für das Evangelium. Für das, was in der Kirche wirklich wichtig ist. Und für Neues, das JETZT dran ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35832
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