SWR2 Wort zum Tag

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21JUL2022
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Eigentlich war Daniel ein Fremder im Land, einer von den vielen Israeliten, die sein Vorgänger nach einem Krieg  verschleppt hatte nach Babylon. Aber jetzt meinte die Königin, er könnte vielleicht die letzte Chance sein für König Belsazar angesichts seiner großen Ratlosigkeit.

So erzählt es die Bibel: Großes Gelage – eigentlich eher ein Besäufnis – am Königshof. Sie erdreisten sich sogar, aus den heiligen Bechern und Schalen zu schlürfen, die sie im Tempel in Jerusalem erbeutet und mitgenommen hatten. Plötzlich erbleicht der König; Luther übersetzt „entfärbte sich“; eine riesige Menschenhand hatte etwas an die weiße Wand geschrieben –  und niemand von den vielen Fachleuten und Hofschranzen  und angeblichen Propheten konnte das lesen oder auch nur deuten. Lass den Daniel rufen, schlägt die Königin vor –  und dem bietet der König alles Mögliche an,  wenn er ihm die Schrift an der Wand nur deutet… Schon klar: Irgendwie erwartet er trotz allem eine gute Nachricht, obwohl er so einen großen Schrecken verspürt.

Daniel ist unbestechlich – und liest vor:  Mene mene tekel u-parsim – dein Königtum ist beendet; man hat dich zu leicht befunden. Dein Reich ist zerteilt. Und der König wird noch in der Nacht ermordet.

Das Menetekel ist in die Alltagssprache eingezogen –  steht für ein schlechtes Zeichen, mindestens. Oft genug ein Zeichen, das die Allgemeinheit lesen kann, schon ohne die Fachleute.  Die übersetzen es dann noch mal für die Menschen in Politik und Wirtschaft, damit die darauf reagieren können und müssen. Naturkatastrophen spielen eine solche Rolle –  seit ein paar Jahren noch mehr als lange zuvor.  Weder die Flut noch das Virus hat Gott geschickt oder gewollt. Aber Erdbeben und Reaktorschmelze in Fukushima waren Menetekel; die Flutkatastrophe im letzten Jahr:  neben all der Not im Ahrtal und anderswo hat sie auch darauf hingewiesen, dass die Geduld der Schöpfung mit den Menschen erschöpft ist. Und auch das Corona-Virus menetekelt  viele verschiedene menschengemachte Probleme an die Wand…

Die Bibel erzählt die Menetekel-Geschichte natürlich  als Beweis dafür, dass Israels Gott der Herr der ganzen Welt ist und den anderen so genannten Göttern überlegen. Vielleicht sollten die Menschen sich von den modernen Menetekeln darauf hinweisen lassen, dass sie aufhören müssen, die Schöpfung zu verbrauchen,  statt sie zu bewahren.

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