SWR2 Wort zum Tag

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18JUL2022
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Ein paar Ahnungslose haben sich schrecklich aufgeregt. Andere waren kaum besser informiert, fanden es aber tricky bis sexy. Auf dem Plakat ein offenbar mittelalterliches Bild einer Frau am Kreuz; allerdings: neben eindeutig weiblichen Formen unter dem Gewand trug diese Frau einen Vollbart.  Werbung für eine Tagung zum Thema „Rolle der Frauen in der Kirche“; frühe neunziger Jahre – Zielgruppe Hochschulgemeinden. Die waren schon immer ihrer Zeit ein bisschen voraus.

A propos ahnungslose Aufreger: Das Bild war echt, kein fake –  es zeigte die Heilige mit dem seltsamen Namen Kümmernis,  auch Wilgefortis genannt, die Willensstarke. Eine Königstochter, erzählt die Legende; die wollte ins Kloster gehen,  statt den Mann zu nehmen, dem der Vater sie schon versprochen hatte. In ihrer Not hat sie gebetet, Gott soll sie in einen Mann verwandeln; woraufhin ihr ein Bart gewachsen sein soll – nix mehr mit Hochzeit und so. Der Vater in seiner Wut lässt sie ans Kreuz schlagen, in Lumpen gekleidet – dann soll sie ihrem Jesus so ähnlich wie möglich sein…

Wie gesagt: eine Legende; und vielleicht doch unpassend, in Wirklichkeit, auf dem Plakat. Dem geht es ja um die Rolle der Frauen in der Kirche –  also um mehr Mitwirkungs-Rechte und auch um mehr Macht  für die größere Hälfte der Kirchenmitgliedschaft. Die Heilige aus der Legende ist ja erst mal Opfer der Männerherrschaft; keine gute Idee, diese Machtverhältnisse mit ihr zusammen heiligzusprechen.

Da ist sogar die katholische Kirche heute ein Stück weiter. Weltweit unterschiedlich, aber doch fast überall suchen sie nach Möglichkeiten, wie Frauen und Männer auf Augenhöhe zusammenarbeiten können –  in der Gemeinde vor Ort, in Caritas und Schule, aber auch in den Leitungsämtern – vom Pfarramt bis zur Bischofswahl.

Das verläuft schleppend; selbst auf dem Synodalen Weg in Deutschland. Das nervt - aber zweitausend Jahre Tradition sind eben leider mächtig. Und viele Männer (und manche Frauen leider auch) profitieren ja von der ungerechten Verteilung von Macht und Verantwortung. Die wollen, dass alles bleibt, wie es ist und angeblich von Jesus gewollt war.

Naja – der Gottessohn Jesus war eben auch ein Kind seiner Zeit  und einer sehr männer-dominierten Gesellschaft. Wenn die Kirche – wie Jesus in seiner – auch in ihrer Zeit ankommen will, wird sie sich neu aufstellen müssen  und wegkommen von der Macht und den Ämtern allein für die Männer. Keine Ahnung, ob ich das noch erleben werde.  Aber ich bin erst mal noch zuversichtlich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35810
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