Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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19JUL2022
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Wenn ich ein frisches Brot kaufe, probiere ich oft gleich ein Stück. Einfach so, ohne was. Ich finde, das schmeckt wunderbar. Es gibt ein Gedicht, das das beschreibt. Da heißt es:

Man muss sein Brot mit gar nichts essen.
Mit nichts als Licht und Luft bestreut.
Gefühle, die man ganz vergessen,
Geschmack und Duft der Kinderzeit,
sie sind im trocknen Brot beschlossen,
wenn man es unterm Himmel isst.
Doch wird die Weisheit nur genossen,
wenn man den Hunger nicht vergisst.

So heißt es in einem Gedicht der Schriftstellerin Eva Strittmatter. Ich kann gut nachvollziehen, was sie meint.

Ich glaube, auch deshalb feiere ich in der Kirche gerne Abendmahl. Auch da gibt es ein Stück trockenes Brot. Aber wenn ich es bewusst esse, schmeckt es nach mehr. Nach allem, was ich brauche, um satt zu werden. Dazu kommt ein Schlückchen süßer Traubensaft oder aromatischer Wein – und erinnert an das, was nicht nötig ist, aber Freude macht. Ein kleiner Luxus sozusagen.

Die Abendmahlsfeier im Gottesdienst erinnert an das letzte Festessen von Jesus mit seinen Freunden – kurz vor seinem Tod. Immer wenn wir es feiern, sitzen wir quasi mit ihm am Tisch.

Jesus hat oft mit anderen zusammen gegessen. Er hat sich mit ganz unterschiedlichen Menschen an den Tisch gesetzt, mit ihnen gegessen und getrunken und geredet. Und dabei ist oft viel passiert. Weil die Leute nicht nur gehört haben, was Jesus erzählt hat, sondern auch fühlen und schmecken konnten, was es heißt: Dass Gott für sie sorgt. Dass Menschen miteinander teilen und alle satt werden. Dass Versöhnung möglich ist. Christ sein heißt miteinander essen – auf diese einfache Formel hat ein Theologe mal gebracht. Mir gefällt das.

Und was das Schöne ist: Um sich daran zu erinnern, genügt auch im Alltag ein Stückchen Brot – ohne was, nur mit Licht und Luft bestreut. Im Geschmack vom frischen Brot aus der Bäckertüte steckt eigentlich alles: Das Gefühl dafür, wie gut es ist, satt zu werden. Und der Genuss, der im Aroma steckt. Selbstverständlich ist beides nicht.

Schmecket und sehet, wie freundlich Gott ist, heißt es in der Bibel. Dafür reicht manchmal ein Stück Brot.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35796
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