SWR3 Gedanken

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27JUL2022
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Die Liebe kann man sich ja auf vielerlei Weise gestehen. Ziemlich genial macht es der Held in einem meiner Lieblingsfilme „Willkommen bei den Ch‘tis“: Er sagt es mit der Glocke – also genau genommen mit mehreren Glocken, mit einem Carillon, das ist ein französisches Turmglockenspiel. Verrückt vor Liebe und übermütig vom Alkohol steigt er auf den städtischen Glockenturm und spielt für seine Angebetete und alle anderen Stadtbewohner den Soul-Schinken „I just called to say I love you“ auf den Glocken. Die Angebetete kommt angelaufen, Liebestaumel, Happy End.

Mit einer Glocke kann man eine Menge sagen. Lange Zeit war sie das wichtigste Kommunikationsmittel überhaupt. Bevor es Post und Presse, Telefon und Internet gab, regelte der Klang der Glocken das Leben der Menschen. Die Kirchenglocken läuteten, wenn es brannte oder ein Hochwasser drohte. Wenn Menschen geboren wurden, heirateten oder starben, dann erfuhren das alle durch das Glockenläuten. Die Glocken zählten die Stunden und schlugen an, wann es Zeit für die letzte Runde im Wirtshaus war.

Heute läuten die Kirchenglocken vor allem sonntags. Für die einen sind sie klingende Einladung zum Gottesdienst, für andere Erinnerung, dass Ruhetag ist. Und für einige: schlicht Ruhestörung.

Wer genauer hinhört, wird feststellen, dass es Glocken für fast jeden Anlass gibt. Es gibt zum Beispiel eine Vaterunserglocke, die zum Beten einlädt. Oder eine Totenglocke, die läutet, wenn jemand verstorben ist.

Und für alle, die wie der Held des Films in verzwickten Liebesdingen nicht mehr weiter wissen: In Halle an der Saale steht mit 76 Glocken das größte Carillon Europas. Einfach nach dem Marktplatz fragen und mutig die Stufen im Roten Turm hochsteigen…

Matthias Lemme Die Liebe…“ in: Sonntags Erfindung der Freiheit, Andere Zeiten e.V. 2009.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35782
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