SWR3 Gedanken

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25JUL2022
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Mit dem Sterben ist das so eine Sache. Leider sterben die Menschen selten wie im Film oder Fernsehen. Sterben ist so unterschiedlich, wie auch das Leben unterschiedlich ist. Und es tut gut, zu akzeptieren, dass es keine Regeln dafür gibt, wie man zu sterben hat.

Vor ein paar Wochen zum Beispiel hat mich eine Familie ins Krankenhaus gerufen. Ich komme ins Zimmer, der alte Mann liegt im Bett, Söhne, Enkel drumherum. Es ist klar, er wird nicht mehr lange leben. Mit großer Anstrengung erzählt mir der alte Mann, dass, sobald er hier raus ist und es ihm wieder besser geht, er sich dringend um die Pflanzen auf seinem Balkon kümmern muss. „Es ist doch jetzt die Zeit!“ sagt er mir eindringlich. Die Söhne stehen hilflos daneben, sie verstehen die Welt nicht mehr. „Es ist okay“, sage ich ihnen, „ihr Vater hat das Recht, nicht an seinen Tod zu denken.“

Oder eine Tochter. Sie pflegt ihre sterbende Mutter zu Hause. Hat sich extra frei genommen. Die Mutter hat aufgehört zu essen, will nichts mehr trinken – aber sie stirbt nicht. Das geht jetzt schon einige Tage. Die Tochter weint: „Manchmal bin ich so wütend auf Mama, dass sie nicht stirbt, dann bin ich wütend auf mich, dass ich sowas denke. Manchmal langweile ich mich und denke an Einkaufslisten und daran, dass ich mal wieder waschen müsste, dann schäme ich mich für meine Gedanken. Ich sollte doch hier bei ihr sein.“ Ich frage sie, was ihre Mutter jetzt gesagt hätte. Die Tochter lacht: „Geh, hätte sie gesagt, ich kann das auch alleine.“

Mit dem Sterben ist das so eine Sache. Es gibt keine Regeln dafür. Es gibt kein falsch oder richtig. Für die, die bleiben ist das nicht immer einfach. Aber ich glaube, am besten unterstützt man die Sterbenden, wenn man ihnen hilft, ihren eigenen Weg zu finden….

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