Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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11JUL2022
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Da liegt es vor mir: Ein rundes, altes, abgenutztes Frühstücksbrettchen. Ab und zu benutze ich es. Ansonsten hat es einen besonderen Platz in meinem Küchenschrank. Denn es ist das Frühstücksbrettchen meines Vaters. Er ist vor vier Jahren mit 91 Jahren gestorben. Viele Jahre lang hat er darauf sein Frühstück gemacht. Das sieht man dem Brettchen an. Im Holz sind tiefe Rillen, man sieht die Spuren des Messers. Es ist wirklich abgenutzt.

Jemand anderes hätte es schon längst weggeworfen. Aber für mich ist es etwas ganz Wertvolles. Wenn ich von Zeit zu Zeit mal meine Brote darauf schmiere, dann tue ich das ganz ehrfürchtig. Weil das Brettchen mich ganz stark an meinen Vater erinnert, an unsere Familie und an mein Elternhaus. Ich sehe ihn dann ganz lebendig vor meinem inneren Auge dasitzen, an seinem Platz am Küchentisch. Wie er mit uns gefrühstückt hat, um gestärkt in den Tag gehen zu können. Vorher hatte er schon im Garten gearbeitet. Und dann fuhr er zur Arbeit, und danach hat er sich in seinen Ehrenämtern im Dorf engagiert.

So wird aus der Erinnerung auch all das wieder lebendig, was er für uns getan hat; wofür er Kraft gebraucht hat und wofür er seine Kräfte eingesetzt hat. Vor allem, wie er als Bürgermeister für die Leute mit all ihren kleinen und großen Anliegen da war. Auch das kommt für mich in seinem Frühstücksbrettchen zum Ausdruck. Ich bin froh, dass ich es habe; dass es mich immer wieder neu daran erinnert, was meinem Vater Kraft gab, was ihm wichtig war, was sein Lebenswerk war. Jedes Erbe beinhaltet auch einen Auftrag; dieses kleine Erbstück führt mir den Auftrag vor Augen, das weiterzuführen, was meinem Vater wichtig war, und meine Kräfte sinnvoll einzusetzen.

Gut, dass es solche Erinnerungsstücke gibt, die uns an wichtige Menschen und Erfahrungen erinnern und die uns eine Botschaft für unseren Weg mitgeben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35768
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