Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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20JUL2022
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Zum Schluss noch ein bisschen Parfüm. Als Kind habe ich meiner Mutter sehr fasziniert zugeschaut, wenn sie sich „schön gemacht“ hat. Das Parfüm am Ende war immer der krönende Abschluss. Heute als erwachsene Frau mache ich das auch so. Beim Schönmachen geht es anscheinend nicht nur um das, was die Augen sehen. Auch die Nasen sollen in den Genuss von Schönheit kommen. Unsere Sprache kennt den Ausdruck: sich riechen können – wenn man jemanden mag. Und die Wissenschaft weiß: Menschen werden von bestimmten Gerüchen angelockt. Pheromone heißen die Stoffe, die dafür verantwortlich sind, ob man sich zu jemandem hingezogen fühlt oder eben nicht. Und wenn es so ist, dann kann man getrost auch das Parfüm weglassen – denn der Körper selbst stellt die Duftstoffe her, auf die es ankommt. Das merkt man spätestens, wenn man morgens neben einem geliebten Menschen wach wird. Menschen empfinden Schönheit also auch mit der Nase. Davon erzählt schon die Bibel. Im Hohenlied der Liebe erzählt jemand davon, wie wunderbar der Geliebte duftet: Der Duft Deines Atems ist wie Äpfel, heißt es da (HdL 7,9). Und selbst von Gott heißt es, dass er Wohlgeruch liebt. Das ist auch ein Grund, warum in manchen Kirchen nach wie vor Weihrauch verbrannt wird.    

Vielleicht ist heute ja ein guter Tag, einmal mit der Nase voran durch die Welt zu laufen. Jetzt im Sommer ist die Welt voller Gerüche. Natürlich sind die nicht alle lieblich und anziehend – aber sie weisen einem doch auch den Weg. Niemand möchte sich neben den stinkenden Mülleimer setzen. Auch der Benzingeruch im Parkhaus stört. Aber die Mischung aus Sonnenmilch und Chlor riecht nach Freibad und Urlaub. Und schon bevor ich den Schlüssel in die Tür stecke, rieche ich: heute gibt es mein Lieblingsessen: Apfelpfannkuchen. Also für heute gilt: Immer der Nase lang. Wer weiß, wohin der Duft der weiten Welt Sie führt? Vielleicht geradewegs in die Arme eines Menschen, den Sie richtig gut riechen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35756
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