Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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16JUL2022
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Theologen reden viel. Das können wir. Das haben wir gelernt. In jeder Lebenslage und zu jeder erdenklichen Situation etwas zu sagen. Und dabei das Wort „Gott“ im Mund zu führen. Mir fällt das zunehmend schwer, obwohl ich es kann. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, woran das liegen könnte. Ich war in Sorge, dass mir mein Glaube abhanden kommen könnte. Mit zunehmendem Alter und dem vielen, was ich schon erlebt habe. Aber das ist es nicht. Es liegt an etwas anderem. Es liegt eher daran, dass ich merke, wie wenig ich mich selbst kenne. Und noch weniger die anderen Menschen, mit denen ich zu tun habe. Ich merke, dass ich vieles von mir erst jetzt verstehe, wo ich älter bin.

Meine Hemmung, von Gott zu sprechen – zu selbstgewiss, allzu vollmundig – würde ich auf die folgende Formel bringen: Ich weiß nicht genügend über den Menschen zu sagen. Wie kann ich dann von Gott sprechen? Im ersten Moment hört sich das womöglich widersprüchlich an. Manche werden sagen, das sind doch zwei Paar Stiefel: über Gott zu reden und über den Menschen. Aber genau das finde ich nicht. Ich finde, dass das untrennbar miteinander verbunden ist. Es gehört für mich logisch zusammen. Bevor ich etwas über Gott sage, muss ich erst mich als Menschen kennen und verstehen, wie ich bin. Denn alles, was ich überhaupt sage, sage ich ja als Mensch. Alles, was in der Bibel über Gott festgehalten ist, stammt von Menschen. Es sind ihre Erfahrungen, die sie gemacht haben. Was sie da sagen, sagt mindestens so viel über sie aus, wie über Gott. Dass Abraham aufgebrochen ist in ein neues fremdes Land. Dahinter steckt, dass Gott ihm eine gute Zukunft versprochen hat. Aber er musste es tun. Von Paulus wird berichtet, dass er drei Tage blind war, als er bei Damaskus vom Pferd fiel. So hat Gott ihn zum Apostel berufen. Aber er musste dann die Reisen nach Rom und Korinth planen und unternehmen und seine berühmten Briefe schreiben.

Es macht mich demütig und tut mir gut zu wissen: Ich kann von Gott sprechen. Je zurückhaltender desto besser. Es sind letztlich meine Erfahrungen, die ich mit Gott mache. Aber keine endgültigen Wahrheiten.

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