Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11JUL2022
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Noch nie sind so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten wie im letzten Jahr. 360.000 Katholikinnen und Katholiken. Auch diesmal war es wie immer. Die Betroffenheit ist groß. Bischöfe sagen, wie weh ihnen das tut. Sie erklären, womit es zusammenhängt. Mit dem Skandal des Missbrauchs. Mit fehlenden Reformen. Dass die Leute nicht mehr so an eine Gemeinde gebunden sind. Und überhaupt: Der Glaube an Gott schwindet immer mehr. Wie oft habe ich das schon gehört: „Das ist alles ganz schlimm, und wir sind sehr betroffen.“

So weit, so schlecht. Denn das reicht einfach nicht. Es ist höchste Zeit, endlich zu sagen, was man dagegen tun will, und dann auch etwas zu tun. Ganz praktisch, ganz konkret. Auch Absichtserklärungen sind zu wenig. Weil die Kirche ja nicht für sich selbst da ist, sondern für andere.

Ich feiere sonntags oft in einer Kirche Gottesdienst, die 500 Plätze hat. Waren vor Corona noch um die hundert Menschen da, sind es jetzt manchmal nur noch dreißig. Es fällt schwer, in einer fast leeren Kirche Gemeinschaft zu erleben und Freude zu spüren. Aber das ist gar nicht das Hauptproblem für mich. Ich will, dass das, was ich zu sagen habe, die Menschen erreicht. Dazu setze ich mich hin, wenn ich meine Predigt schreibe. Es soll für möglichst viele interessant sein. Ich bringe zur Sprache, was auf der Welt geschieht, auch die schweren, dunklen Themen, und überlege, wie ich Hoffnung geben kann und Trost spenden. Das könnte auch denen gut tun, die nicht da sind.

Was also tun? Es ist viel davon die Rede, dass die Kirche wieder näher an die Leute ran muss. Richtig. Ich hab mir oft gedacht: Es wäre am besten, wenn ich mich einfach mit einem Sessel vor die Pfarrhaustüre setzen würde. Ein, zwei Stunden am Tag, dort, wo die Leute sowieso vorbeikommen. Dann wäre ich mitten im Geschehen, ansprechbar für jede und jeden.

Ein Paar hat mir signalisiert: Wir wünschen uns einen Segen. Wir hätten gern Gott dabei in unserer Ehe. Aber eher frei, nicht so richtig katholisch. Ich habe gemerkt, dass das bisher nur ganz oder gar nicht geht in der Kirche. Und das wird den Menschen heute einfach nicht mehr gerecht.

Die Kirche ist an erster Stelle Jesus verpflichtet. Dem, wie er gedacht und gehandelt hat. Diese Kirche hat etwas anzubieten, was die Welt brauchen kann. Aber sie tut es oft nicht. Und daran muss sich etwas ändern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35747
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