SWR1 3vor8

SWR1 3vor8

(zu Apg 1, 1-11)

Zwei Füße, die aus einer Wolke ragen. Der Rest des Körpers ist verdeckt. So wurde Christi Himmelfahrt in früheren Zeiten von manchen Künstlern dargestellt. Himmelfahrt wörtlich genommen: Der Auferstandene Christus zeigt sich noch ein paar Mal und fährt dann endgültig zu seinem Vater auf in den Himmel. Leibhaftig und in einer Wolke. So wird das auch heute wieder in den katholischen Kirchen gelesen.
Das ist für moderne Menschen schon ein unglaubliches Bild. Für moderne Menschen. Für die Innen und Außen, Oben und Unten, sichtbare und unsichtbare Welt schön sauber getrennt sind.
Bei Menschen zur Zeit Jesu und bei denen, die kurz nach ihm gelebt und über ihn berichtet haben, war das ganz anders.
Im Gegensatz zu uns, die wir körperlich so mobil, aber seelisch eher unbeweglich sind, waren die Menschen vor 2000 Jahren äußerlich recht immobil, das heißt, sie konnten nicht wie wir mit dem Auto oder Flugzeug unterwegs sein und ihren äußeren Horizont erweitern. Dafür waren sie innerlich grenzenloser. Für sie bestand keine Trennung zwischen Innen und Außen, Natur und Seele, Himmel und Erde. Das gehörte noch viel mehr zusammen als bei uns heute. Und so konnten sie Dinge wahrnehmen, die wir heute eben nicht mehr wahrnehmen können. Menschen, zum Beispiel, die nicht mehr unter uns, aber doch noch da sind. Träume, die realer sind als die sogenannte Wirklichkeit. Oder eine Wolke, die Sichtbares verhüllt und Unsichtbares zeigt.
Mit diesem Vergleich von Früher und Heute will ich nicht versuchen die Himmelfahrt Christi zu beweisen. Beim Glauben geht es sowieso nicht um Beweise. Ich will aber hinweisen auf eine Fähigkeit, die uns modernen Menschen leider ziemlich abhanden gekommen ist: die Fähigkeit zwischen das Sichtbare und das Unsichtbare zu sehen.
Künstler und Mystiker können das manchmal noch. Hermann Hesse zum Beispiel, für den der Himmel und die Wolken auch Sinnbilder der religiösen Sehnsüchte des Menschen waren.
Vor rund 100 Jahren hat er folgendes über die Schönheit und die Schwermut der Wolken geschrieben:
„ Sie schweben zwischen Gottes Himmel und der armen Erde als schöne Gleichnisse aller Menschensehnsucht, beiden angehörig ... Sie sind das ewige Sinnbild allen Wanderns, allen Suchens und Verlangens und Heimbegehrens. Und so, wie sie zwischen Erde und Himmel zag und sehnend und trotzig hängen, so hängen zag und sehnend und trotzig die Seelen der Menschen zwischen Zeit und Ewigkeit.“
In diesem Sinne einen schönen Himmelfahrtstag mit möglichst vielen schönen Wolken! https://www.kirche-im-swr.de/?m=3572
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