Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30JUN2022
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Ehe für alle. In Deutschland ist das möglich. Heute vor fünf Jahren hat der Bundestag das mit großer Mehrheit beschlossen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es seitdem: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Seit 2017 ist es also auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich zu heiraten. Davor konnten sie nur eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen.

Ein kleiner Meilenstein also für gleichgeschlechtlich Liebende, endlich gleiche Rechte wie alle anderen auch zu erhalten.

In meiner Kirche ist das anders. Die Katholische Kirche sieht die Ehe als einen Heiligen Bund vor Gott, der nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden kann. Dieser Bund besiegelt, dass die Eheleute lebenslang, freiwillig Miteinander und füreinander unterwegs sind. Und er sieht vor, dass das Paar Kinder bekommt und eine Familie gründet. Dieses Bild von Ehe passt für mich privat ganz gut. Ich kann mich darin wiederfinden.

Gott hat uns als Beziehungswesen füreinander geschaffen, davon spricht die Bibel. Er hat uns füreinander bestimmt. Und wenn sich nun Menschen zueinander hingezogen fühlen und einen gemeinsamen Weg gehen wollen, dann ist darin immer Gott zu entdecken. Er ist der Grund, dass wir uns lieben können, er ist die Liebe.

Ein wunderschöner Gedanke für die Ehe. Allerdings stört mich, dass die Kirche dies nur für Paare zulässt, die aus Mann und Frau bestehen. Andere Paarkonstellationen, wie Mann und Mann, Frau und Frau werden hier kategorisch ausgeschlossen. Und das finde ich nicht fair. Denn auch in ihrer Liebe zueinander zeigt sich für mich Gott. Sie vom Eheritual auszuschließen, passt für mich nicht in mein Bild von einer Kirche, die offen ist, für alle, die an Gott glauben.

Was ich mir deshalb von meiner Kirche wünsche ist, dass sie keinen Unterschied macht, welches Geschlecht die Liebenden haben. Viel mehr sollte es ihr darum gehen, Menschen zu stärken, die sich Liebe schenken, achtsam miteinander umgehen und füreinander da sind. Damit sie gute und schlechte Zeiten durchstehen. Denn das versprechen sich Paare, wenn sie in der Kirche heiraten: Gegenseitige Treue und Liebe, und zwar als Paar ganz allein. Der Pfarrer leitet nur das Ritual an und ist Zeuge vor Gott. Und nur das Paar allein kann für sich entscheiden, was eine gelungene Ehe für beide ausmacht. Da hat für mich die Kirche nicht mitzureden.

Die Katholische Kirche hat sich viele Gedanken zur Ehe gemacht und Regeln geschaffen. Eine Institution braucht Regeln. Gott übersteigt aber in seinem Wesen alles menschliche Denken und Handeln. Deshalb darf in meinen Augen meine Kirche nicht starr sein und darüber entscheiden, welche Paare Gott begleitet und welche nicht. Ich wünsche mir, dass meine Kirche mehr sieht, als ihre Regeln. Dass sie von den Menschen lernt, von Menschen, die aus ganzem Herzen lieben. Weil Gott dort ist, wo die Liebe ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35695
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