SWR4 Abendgedanken

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01JUL2022
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Ein Mann radelt zu der Eisdiele, in der er in seiner Jugend schon Eis gekauft hat. Das Eis dort schmeckt nicht nur nach Erdbeer, Zitrone und Schokolade. Nein, für ihn schmeckt es nach Freistunde und Hollandrad, nach Pink Floyd, erster Liebe und erstem Kuss.

Diese Geschichte habe ich in der Zeitung gelesen.[1] Der Herr, von dem sie stammt, schreibt dazu, dass er sich freue, diese Erinnerungen im Rucksack zu haben, wenn er einst sterben wird. Seine Einstellung fasziniert mich: Da jammert einer nicht, dass der erste Kuss vorbei und das Hollandrad von damals kaputt ist. Er schafft es, das, was schön war, lieb zu haben. Und es trotzdem loszulassen. Es war gut, als es war. Nun ist es vorbei. Und er kann sich immer noch daran freuen.

„Alles hat seine Zeit: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; (…) weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit.“ (Pred 3,2ff) So beschreibt die Bibel im Buch Prediger das Leben. Schönes kommt und geht. Tanzen und Lachen wechseln sich ab mit Klagen und Weinen.

Tja, „that’s life“. So ist es nun mal. Trotzdem komme Ich nicht so gut damit klar: Warum kann es nicht immer schön sein? Warum auch Tief- und nicht nur Höhepunkte im Leben? In diese Frage könnte ich mich manchmal griesgrämig eingraben und würde am liebsten nie wieder ans Licht kommen.

Der Prediger in der Bibel fände diese Einstellung falsch. Er schreibt: Gott „hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in der Menschen Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut (…).“ Und weiter sagt er: „Da merkte ich, dass es nichts Besseres in seinem Leben gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun. Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. (Pred 3,11ff)“

Der Prediger findet: Wir verstehen halt nicht alles, was Gott plant und tut. Nur: Griesgrämig und grummelig dem Schönen hinterher trauern hilft nix. Wir haben halt nur das eine Leben. Das sollen wir, so gut es geht, genießen: Es gibt nichts Besseres, als fröhlich sein und sich gütlich tun, schreibt er. Und: Der gute Mut zum Leben, der sei eine Gabe Gottes.

Genau diese Gabe Gottes wünsche ich mir. Heute. Und später, wenn ich hoffentlich auf ein langes Leben zurückblicken kann. Damit auch mein Rucksack dann voll ist mit freudigen Erinnerungen, die ich mitnehmen kann in Gottes Ewigkeit.

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[1] Aus „Die Zeit“, Rubrik: Was mein Leben reicher macht, Das genaue Erscheinungsdatum konnte leider nicht mehr ermittelt werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35675
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