SWR1 Begegnungen

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26JUN2022
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MariaRosa und Michael Eckes

Annette Bassler trifft Michael Eckes

Teil 1: Wirtschaftswunder und Familienunternehmen

Am Sonntagnachmittag ein Likörchen. Für meine Eltern war das Kult. Das Wirtschaftswunder der 60er Jahre schmeckte auch nach Kirschlikör, nach „Eckes Edelkirsch“. Und den hat seine Familie produziert. Michael Eckes gehört zur 5. Generation eines Familienunternehmens, das zum Marktführer in alkoholischen Getränken und Fruchtsäften wurde. Geboren 1944, hat Michael Eckes den Reichtum seiner Familie aber kaum gespürt.

Speziell eben im Falle eines Bruders und mir wurden wir sehr sparsam erzogen. Es hieß immer. „Ihr bekommt keinesfalls mehr als einer eures Alters. Da gabs auch gar keine Diskussion darüber. Wenn ich meckerte über mein Studentenquartier, ohne fließend Wasser und ohne Heizung, dann hat sich mein Vater drauf entschlossen, da mal in München bei einer Ausstellung dort zu wohnen und zu zeigen, dass das so die Richtigkeit hat.

Michael Eckes hat von Anfang an erlebt: Reichtum ist nichts, was man einfach nur hat. Man hat ihn, um was Gutes draus zu machen. Für die Firma, für die Mitarbeiter und die Region. Reichtum ist immer auch verbunden mit sozialer Verantwortung.

Also ich weiß noch, dass auf einmal die Senioren beschlossen, viele, viele Grundstücke zu kaufen in Nieder-Olm um die Firma herum. Und die wurden praktisch kostengünstig oder geschenkt an Mitarbeiter, die sich da ansiedeln wollten, zur Verfügung gestellt.

Und es wurden Tennisplätze, eine Festhalle und vieles mehr gebaut. Das war gut für die Mitarbeiter und gut für die Region. Aber auch gut für das Standing des Unternehmens in der Region.
Während ich mit 15 Jahren einfach nur zur Schule gegangen bin, wurde Michael Eckes schon in unternehmerische Investitionen in Millionenhöhe eingebunden. Das hat ihm schon Respekt eingeflößt.

Diese Angst, die fiel bei mir weg nach einer Indienreise über mehrere Monate mit einem VW-Bus, mit wenig Geld und viel Abenteuer und ohne Absicherung. Und nachdem man das überstanden hat, hab ich gesagt: Also, wir können andere Länder ausprobieren. Man kann mich irgendwo hinschicken, es muss nicht Rheinhessen sein.

Und so ist es gekommen. Mit 28 Jahren wurde er zuständig für die vom Onkel gekauften Orangenplantagen in Brasilien. Dort war er dann auch immer wieder mit seiner Frau und seinen 6 Kindern.

Dann sind wir da, also auch in den Sommerferien statt an die See oder nach Italien, sind wir auf die Farm gezogen und haben gesehen, wie das funktioniert. Und meine Kinder haben mit den Kleinen dort, die die Schule besuchten, sich angefreundet.

Und so ist er langsam ist er in die Kultur Brasiliens hineingewachsen. In der es abenteuerlich ist, Unternehmer zu sein.

Teil 2: Wirtschaften in einer anderen Kultur

Wie ist das, wenn man in eine reiche Familie hineingeboren und schon früh Verantwortung trägt für Gewinne, Arbeitsplätze, millionenschwere Investitionen? Michael Eckes war für das Auslandsgeschäft des Getränkeunternehmens Eckes verantwortlich. Er hat in vielen Ländern gelebt und gearbeitet. Ich bewundere seine Fähigkeit, Menschen anzunehmen, wie sie sind. In all ihrer kulturellen Verschiedenheit. Als Unternehmer rät er den Jungen neben fachlicher Kompetenz vor allem eins:

Also ich beobachte: wenn einer durch die Gegend läuft und meint, er weiß alles, verrennt er sich und verliert Zeit mit Umkehrmaßnahmen oder Verlusten. Also sich einbinden lassen in gutem Rat und vor allem ganz wichtig:  hinschauen- zuhören.

Mit 28 Jahren hat er im Nordosten Brasiliens die Verantwortung für die Pflanzungen und die Herstellung von tropischen Säften übernommen. Damals war das für ihn eine andere Welt.

Wenn man Orangen einkauft oder Orangen von den Pflückern übernimmt, dann weiß man sehr schnell, dass da also zigtausend Leute arbeiten. Wir hatten auch brasilianische Partner, ein Krankenhaus für Unfälle in den Plantagen zu bauen. Das konnte nur klammheimlich gemacht werden, weil man sagte: Ihr Deutschen, seid viel zu sozial orientiert, so läuft das hier nicht.

Trotzdem konnte er einiges durchsetzen, wie zum Beispiel eine Schule für die Kinder der Plantagenarbeiter. Um die sich jetzt einer seiner Söhne kümmert. Als Michael Eckes im Auftrag des Familienunternehmens eine Stiftung errichten wollte, hat MariaRosa seinen Plänen widersprochen. Als Brasilianerin, die die Gegend kennt, wusste sie genau, wo die Not am größten ist. Und dass Bildung allein der Schlüssel ist für einen Weg aus der Armut. Und so haben Michael Eckes und MariaRosa vor gut 20 Jahren das Hilfswerk „Human network do Brasil“ gegründet.

Es geht im Wesentlichen um Förderung von Ausbildung in diesen speziellen Orten. Mal fehlt eine Vorschule, mal fehlt eine Grundschule, mal fehlt ein Dach, mal fehlt ne Tür, mal Wasserfilter, ganz unterschiedlich.

Das alles managt von Anfang an MariaRosa, die zweite Ehefrau von Michael Eckes. Seit vielen Jahren leben die beiden je die Hälfte des Jahres in Deutschland und in Brasilien. Und dort kümmern sie sich persönlich um die Einrichtungen und Projekte für die Kinder der Ärmsten. Politisch hat sich dadurch in der Region nichts geändert. Trotzdem bleiben sie dabei. Auch nur einer Familie, einem Kind die Chance auf ein besseres Leben zu geben- das macht für sie einen himmelweiten Unterschied.

Wir haben kein System, um zu erfassen, was aus den Kindern, ursprünglich waren das Straßenkinder oder eben aus den Favelas, was aus denen geworden ist. Aber in der Gegend bleiben doch relativ viele. Und die begegnen einem immer wieder und die winken einem zu, die sprechen einen an und sagen: du hast mir geholfen, dass ich immer noch da bin. Dass ich jetzt Parkwächter bin. Also die Dankbarkeit ist sehr groß.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35651
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