Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Du sollst dir kein Bildnis machen“, lautet das zweite der zehn Gebote. Für dieses Gebot gibt es gute Gründe: Ehrfurcht oder ihn nicht festlegen zu können. Trotzdem glaube ich brauchen wir Menschen Bilder von Gott. (Bilder, im Sinne von: Gott ist für mich wie ...)
Aber keine fixen Bilder, an denen es nicht zu rütteln gilt. Eher Vorstellungen von Gott, die sich im Laufe unseres Lebens immer wieder wandeln. So wird vielleicht aus dem alten Mann mit weißem Bart aus Kindertagen im Lauf der Zeit vielleicht eine Art Sonne, oder ein großes Fragezeichen, eine Hand die mich auffängt oder der Schmerzensmann am Kreuz.
Keines dieser Bilder ist letztgültig und doch sind Bilder für mich auch Wege zu Gott und Ausdruck meiner Spiritualität. Versuche, den Unfassbaren in einem Symbol oder in Worten zu fassen.
Ich habe einen (beeindruckenden) Text gelesen in dem ein psychisch kranker Mensch seine Vorstellung von Gott beschreiben soll:

Zeichnen Sie mir Gott
verlangte der Psychotherapeut

Sie rief:
Wie kann ich zeichnen
was ich nicht gesehen
nicht gefasst, nicht begriffen habe

Er schwieg
Sein Gesicht blieb hart

Unwirsch zog sie einen Kreis
über Blatt und Tisch:
Sonne Erde Gestirn
oder welche Kugel

Nun geben Sie ihm einen Namen
bezeichnen Sie Gott

ER ist zu groß
zu herrlich, murmelte sie
zu vollkommen-schön
Ich finde keine Worte

Denken Sie nach:
Wie lassen sich Vater und Mutter
Bruder und Schwester
Freund und Geliebter
mit einem Namen benennen

Sie verbarg ihr Gesicht
mit den Händen
und flüsterte:
DU


Dieser Text hat mich (sehr) aufgewühlt und irritert. Auch weil der Therapeut darin so barsch beschrieben/dargestellt ist. Und doch hat es mich fasziniert in welcher Kürze ganz Wesentliches ausgedrückt wird.
Das sachte DU – als Anrede für Gott am Ende der Geschichte berührt mich sehr. Es ist fast zum Greifen spürbar, wie bei der Frau etwas in Fluss, in Bewegung kommt.
Und auch für mich wird dadurch wieder mal deutlich, dass es alles andere als selbstverständlich ist, an einen Gott zu glauben zu dem ich Du –sagen kann. Der mir ein vertrautes (ganz persönliches) Gegenüber sein will. Nicht zu fassen…und doch unmittelbar an meinem Herzen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3563
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