SWR2 Wort zum Tag

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11JUN2022
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Welche fünf Bücher haben Sie in Ihrem Leben am meisten geprägt? Das wurden schon viele Prominente gefragt. Robert Habeck, der Wirtschaftsminister, nennt zum Beispiel den „Homo Faber“ von Max Frisch oder die Schriftstellerin Carolin Emcke, die unter anderem Jean-Paul Sartres „Überlegungen zur Judenfrage“ auswählt. Ich lese gerne und ich überlege, welche fünf Bücher mich am meisten geprägt haben. Auf jeden Fall wäre der „Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier dabei und „Michel aus Lönneberga“ von Astrid Lindgren. Und ich frage mich, ob ich auch die Bibel auflisten würde…

Ich erinnere mich an die kleinen Bibelbüchlein mit der Geschichte von der Erschaffung der Welt oder der Erzählung von Zacharias und den Gleichnissen Jesu. Ich habe die typischen Bilder des niederländischen Malers Kees de Kort noch vor mir: die kräftigen Farben und die einfachen Formen.

Als ich älter war, habe ich an unzähligen Sonntagen im Gottesdienst aufmerksam den Bibeltexten zugehört – jedenfalls aufmerksamer als der darauffolgenden Predigt…

Während meines Theologiestudiums habe ich dann die Bibel einmal komplett chronologisch durchgelesen. Die Professoren damals haben mir gesagt: „Das macht man so.“

Die Bibel ist definitiv nicht mein Lieblingsbuch – aber sie ist das Buch, zu dem ich in den unterschiedlichsten Lebensphasen regelmäßig gegriffen habe. Als mein Opa gestorben ist, habe ich im Buch der Psalmen gelesen und mich in den Texten aufgehoben gefühlt. Und als ich mich mit meinem Mann auf unsere Hochzeit vorbereitet habe, haben wir einen kleinen Text aus dem Buch Rut entdeckt, in dem es darum geht sich gemeinsam auf den Weg zu machen -egal, was die Zukunft bringt. 

Die Bibel ist aber auch ein Buch, mit dem ich immer wieder ringe, weil mir nicht alles gefällt, was ich darin lese. Zum Beispiel ringe ich mit dem Bild eines strafenden Gottes, der andere Völker gewaltsam vernichtet. Und ich muss immer wieder daran arbeiten, wie ich die Texte in die heutige Zeit für mich übersetzen kann.

Als ich angefangen habe zu überlegen, welche fünf Bücher meine Lebensbücher sind, habe ich nicht damit gerechnet, dass die Bibel dabei ist. Ich bin ein bisschen über mich selbst überrascht, aber es ist so.

Zuerst habe ich die Bibel kindlich naiv gelesen und alles geglaubt was darin steht. Als Teenager haben mich die Texte stärker gemacht. Ich habe damals vor allem gelesen: Ich darf sein, wie ich bin. Später im Studium habe ich damit angefangen mich kritisch mit biblischen Texten auseinander zu setzen.

In jeder Phase meines Lebens habe ich in der Bibel etwas für mich entdecken können. Und ich lese die Geschichten nicht nur. Da passiert noch so viel mehr. Die Bibel bringt mich Vers für Vers in Kontakt mit Gott, es ist mein Lebensbuch.

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