SWR2 Wort zum Tag

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10JUN2022
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Ich habe diesen Sommer das erste Mal seit drei Jahren wieder ein Konzert besucht – und es ist überwältigend gewesen. Wie sehr die Musik mich berührt, wenn sie von einem kompletten Orchester live gespielt wird. Ich habe mich immer wieder dabei erwischt, wie ich mir heimlich die Tränen aus den Augen gewischt habe, weil es einfach so wunderschön gewesen ist.

Musik begleitet mich immer – ich höre abends CDs von meinen Lieblingskünstlern und tanze beim Putzen zu laut aufgedrehter Musik durch die Wohnung. All das ist mir wichtig, aber es kann nicht das berauschende Gefühl ersetzen, das die Musik entfalten kann, wenn ich sie live mit anderen teile.

Das hat mir in den letzten Jahren gefehlt, aber wie schön es wirklich ist, ist mir erst da im Konzert bewusst geworden.

Beim Konzert habe ich erlebt, wie die Orchestermusik die anderen Zuhörenden und mich existentiell berührt hat. Wenn ich mich umgeschaut habe, konnte ich auch andere im Publikum entdecken, die Tränen in den Augen hatten. Das fasziniert mich an Musik: sie schafft es ganz selbstverständlich und problemlos, unterschiedlichste Menschen zusammen zu bringen und friedlich miteinander zu vereinen.

Das kann auch bei einer Band sein, die ganz multi-kulturell geprägt ist und unterschiedlichste Rhythmen und Stile aus verschiedenen Kulturkreisen zu einem harmonischen Ganzen erklingen lässt. Und die beim gemeinsamen Musizieren und Jammen einfach Spaß hat.

Genauso kann ich selbst diese Verbundenheit spüren, wenn ich mit anderen zusammen singe, etwa im Sonntagsgottesdienst. Oder auch wenn ich ein großes Popkonzert besuche und zusammen mit anderen feiere und tanze oder eben beim Symphonieorchester, wo ich mit hunderten anderen Menschen völlig gebannt und still den grandiosen Klängen des Orchesters lausche. Ich muss nur den Blick kurz durch die Reihen wandern lassen und erkenne, hier stehen Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen, Nationalitäten und sicher auch mit verschiedenen Interessen und Hobbies. Aber uns eint für diesen Moment der Zauber der Musik.

Musik schafft es, meine Seele zu berühren. Wenn das passiert, erlebe ich für einige Augenblicke völlige Harmonie und Glück und kann ahnen, dass hinter dieser Harmonie noch mehr stecken muss, als ich fühlen und begreifen kann. Ich weiß, ich bin nicht allein mit dieser Wahrnehmung von Musik, weil ich es bei Konzerten beobachten kann. Hier kann ich spüren, wie die anderen Zuhörerinnen und Zuhörer ebenfalls in ihrer Seele berührt werden und sich öffnen. Musik schafft, dass Frieden funktioniert – für den Moment, den man ihr lauscht. Deswegen ist sie auch in Religionen so wichtig.

Musik verbindet und das auf einfache und berührende Weise. Wenn ich das erfahre, ist Musik für mich auch etwas Religiöses, denn sie kann Grenzen überwinden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35572
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