Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07JUN2022
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„Die hat wahrscheinlich niemand Passenden gefunden.“ – „Der hätte eben irgendwann mal Verantwortung übernehmen müssen.“ – „Wenn halt andere Dinge wichtiger sind …“ Menschen, die allein leben, müssen sich so allerhand anhören. Und manchmal denken sie es vielleicht sogar selbst von sich.

Heute gibt es viel mehr Alleinstehende oder „Singles“ in Deutschland als früher. Und trotzdem fallen Singles immer noch auf und sind ein Gesprächsthema. Als normal gilt, fest mit jemandem zusammenzuleben. Und für viele ist das auch ein entscheidendes Lebensziel. Allein zu bleiben oder es wieder zu sein, das ist dann sozusagen nur Plan B, wenn es eben so kommt. Dann macht man halt das Beste daraus.

Auch in Kirchengemeinden wirkt das oft so auf mich. In dem, was da angeboten wird an Veranstaltungen oder Gruppen, werden Singles nicht groß in den Blick genommen. Krabbelgruppen oder Familiengottesdienste sind dann eben doch für andere gedacht.

Als die Kirche frisch entstanden ist, vor rund zweitausend Jahren also, da war das interessanterweise ganz anders. Die ersten Christen haben Partnerschaft oder Familie sogar eher hinderlich gefunden. Ihr neuer Glaube war ihnen sehr wichtig, sie wollten sich ganz auf ihre Beziehung zu Gott konzentrieren. Und sich um die Probleme ihrer Zeit kümmern, sich für Gottes Gerechtigkeit einsetzen. Da kann es auch mal schwierig sein, eine Beziehung zu führen. Wer kann, soll besser nicht heiraten, hat der Apostel Paulus in einem Brief in der Bibel empfohlen [vgl. 1. Korinther 7,7-8].

Ich finde, aus diesem Blick auf die Geschichte kann man lernen: Es gibt – auch vor Gott – keine bessere oder schlechtere Lebensform. Jede hat ihren Reiz und ihr Risiko, bestimmte Chancen und Herausforderungen. Wie es einem dabei geht, steht nochmal auf einem anderen Blatt. Und alleine zu leben, kann genauso eine freie Entscheidung, eine bewusste Wahl sein.

Wer allein lebt, hat es vielleicht leichter, sich selbst auf die Spur zu kommen. Und den inneren Reichtum zu entdecken, der in jedem Menschenleben steckt. Und natürlich führen auch Alleinstehende Freundschaften und haben andere soziale Kontakte, vielleicht sogar noch intensiver als andere.

Außerdem gilt ja auch noch: Allein leben, mit sich selbst auskommen – das muss jeder Mensch, ob in einer Beziehung oder nicht. Es gibt Situationen, in denen bin ich immer für mich. Und manches muss ich mit mir selbst ausmachen, das kann mir niemand abnehmen. So gesehen bleibt jeder Mensch Single. Mit ganz vielen Möglichkeiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35564
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